Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
dass wir nun um die seltsamen Schulfächer in Großbritannien wussten.
Das Schlimmste am ganzen Englandaustausch, an sich ja eine ganz nette Erfahrung, war aber der Rückbesuch der Engländer bei uns in Deutschland. Und da war das Verschandeln des Vorplatzes der Porta Nigra noch das Harmloseste. Es ist einfach anstrengend, einen fremden Menschen bei sich in der Familie zu integrieren, wenn dieser weniger Deutsch spricht als sein Papagei zu Hause. Den einzigen Satz, den mein Austauschschüler sagen konnte, war: «Das ist schlecht.» Wobei er «schlecht» immer «schlääkt» aussprach. Die Ausflüge waren «schlääkt», das Essen war «schlääkt», die deutsche Schule war «schlääkt». Wo war die berühmte englische Höflichkeit geblieben?!
Am letzten Tag sagte er: «Ick bin schlääkt» – und erbrach sich auf unsere Couch.
Davon hatte nichts in der Programmbeschreibung des Austausches gestanden. Oder gehörte das zu den landestypischen Gepflogenheiten des anderen Landes, die man kennenlernen sollte? Beschweren durfte ich mich jedenfalls nicht darüber, schließlich repräsentierte ich Deutschland. Und so musste ich einen kotzenden Engländer auf dem Sofa, der
sein
Land meiner Meinung nach etwas merkwürdig vertrat, ertragen, während die anderen gemeinsam mit den Engländern in einen Freizeitpark fuhren.
Trotzdem bestand Herr Lottenbach im Anschluss an den Besuch darauf, dass ich wie alle anderen einen Erlebnisbericht über diese Woche verfasste. Ich beschrieb aus Trotz ausführlichst, was ich «erlebt» hatte. Die Note, die ich dafür bekam, war wenig berauschend. Mein Austauschschüler hätte gesagt: «Die Note ist schlääkt!»
Heute ist «Dönerstag»
Mitten in meiner Schulzeit wurde der Ganztagsunterricht eingeführt. Plötzlich war man zu der Erkenntnis gekommen: Je länger man am Tag in der Schule hockt, desto besser lernt man. Am Anfang meiner Schulzeit hatte man uns noch Diagramme mit Formkurven gezeigt, die verdeutlichten, wie die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns ab zwölf Uhr mittags kontinuierlich abnimmt. Das galt offensichtlich nicht mehr. Unsere Gehirne waren von heute auf morgen in der Lage, auch nachmittags noch fit zu sein. Die Schule siegt eben über die Natur.
Unser Gehirn hatte man also heimlich auf irgendeinem Wege angepasst, unsere Mägen allerdings vergessen. Nachdem die Schulreform schon beschlossene Sache war, fiel einem findigen Menschen urplötzlich auf: «Scheiße, die Kinder müssen ja zwischendurch auch mal etwas Warmes essen!» Dieser Mensch ist bestimmt belächelt worden. Essen?! Wer braucht denn so was? Essen kann man doch auch noch nach dem Abitur.
Zum Glück setzten sich die Stimmen durch, die ein Mittagessenangebot für sinnvoll hielten. Wobei Glück relativ ist, denn das, was man uns als improvisierte Mensa dort hinstellte, glich eher einer nachkriegszeitähnlichen Essensausgabe. Um es zu verdeutlichen: Es lohnte sich durchaus, darüber nachzudenken, sich selbst einen Campingkocher mitzubringen und eine Dose Ravioli darauf zu erwärmen. Die Vorteile dieser rudimentären Selbstversorgung liegen auf der Hand: Das Essen wäre warm gewesen, man hätte gewusst, wo es herkam (Merke: Ravioli wachsen in Dosen!), die Portion wäre selbst dann größer gewesen als die in der Mensa, wenn man sie mit sämtlichen Klassenkameraden geteilt hätte, und günstiger wäre man auch weggekommen. Allerdings hätte das offene Feuer des Kochers gegen sämtliche Schulvorschriften verstoßen (Versicherungsvorschriften eingeschlossen).
So lief man also damals aufgrund fehlender Alternativen in der Mittagspause in den Innenhof, wo man die Mensa provisorisch auf Rollwägelchen hineingestellt hatte. Davor waren Bierbänke und -tische platziert, an denen man die erworbenen Speisen verzehren konnte. Egal, wie schnell man nach der Stunde zur Mensa hetzte, die Schlange der Wartenden war bereits ewig lang. Manche Lehrer ließen ihre Schüler sogar früher aus dem Unterricht, damit sie es noch zur Mensa schaffen konnten. Denn wenn man ganz hinten stand, konnte man eigentlich direkt wieder gehen. Die eine Stunde Mittagspause reichte nicht aus, um auch nur in die Nähe der Essensausgabe zu kommen. Nicht nur, dass dauernd das Essen ausging, da man selbiges nicht vor Ort zubereiten konnte (es gab keine Küche) und die Bestellung bei den externen Anbietern offensichtlich ständig falsch kalkuliert wurde. Die Schwierigkeit war: Bei uns arbeiteten die langsamsten Servicekräfte, die die Welt jemals
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