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Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt

Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt

Titel: Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Lyons
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tun, um seine Tochter zu retten. Genau wie er selbst. Aber vielleicht konnte er wenigstens dafür sorgen, dass die Mistkerle, die dafür verantwortlich waren, dingfest gemacht wurden.

18
    Valerie kam zurück ins Zimmer, sie schob einen Rollstuhl mit hoher Lehne vor sich her. In ihm saß das kleine Mädchen vom Foto, deren Kopf zwischen zwei Kissen festgeschnallt war. Von den Unfallverletzungen war bis auf eine kleine Narbe über der rechten Augenbraue und einer weiteren auf der Wange nichts mehr zu sehen.
    Doch ansonsten war die Veränderung frappierend. Die Krankheit hatte Julia ausgezehrt, ihre Gliedmaßen flogen spastisch in die Höhe und auch ihr Geisteszustand war bereits stark angegriffen. Die Augen rollten in den Höhlen umher, ohne etwas wahrzunehmen, ihr hing die Zunge aus dem Mund und sie schlug sich mit einer Hand ins Gesicht, während Valerie die andere festhielt. Das Haar, das früher lang genug gewesen war, um Zöpfe daraus zu flechten, war kurz geschoren, große kahle Stellen schimmerten hindurch.
    »Sie hat heute einen ziemlich guten Tag«, sagte Valerie, während sie Julia mit dem Latz, der ihr um den Hals hing, die Spucke vom Kinn wischte. »Ich dachte, sie wollen sie vielleicht sehen. Ein letztes Mal.«
    Shapiro sprang auf, ging mit unsicherem Gang auf die beiden zu, dann kniete er sich beherzt neben den Rollstuhl und tätschelte Julias freie Hand, obwohl sie versuchte, ihn zu kratzen. Sie machte ein Geräusch wie ein wildes Tier, es klang wie ein verärgertes Stöhnen, das nach einiger Zeit in zufriedenes Grunzen umschwang, da Shapiro sie weiterstreichelte.
    »Erinnerst du dich an mich, Julia?«, sagte er mit sanftem Singsang. »Tut mir leid, dass ich dir heute nichts mitgebracht habe, ich weiß, wie gern du deine flauschigen Socken hast.«
    Julia trat gegen die gepolsterte Fußstütze, als hätte sie ihn verstanden. Sie trug lilafarbene Fleecesocken, auf denen Affen abgebildet waren.
    Solche in der Art trug Jakes achtjährige Nichte auch gerne, und sie liebte es, die verschiedensten Muster wild zu kombinieren. »Weil das Leben zu kurz ist, Onkel Jake«, sagte sie immer. »Und mit zwei verschiedenen Socken kann ich doppelt so viel Spaß haben!«
    Während Valeries Ausführungen war alles noch abstrakt und theoretisch gewesen. Aber jetzt, da er das kleine Mädchen sah – und diese Socken … das war einfach zu viel. Er musste sich abwenden, tat so, als würde er aus dem Fenster schauen, obwohl er heftig blinzelte und sich die Tränen mit dem Handrücken fortwischte. Dabei stand ihm dieser Schmerz überhaupt nicht zu, er gehörte Valerie und ihrer Familie. Aber zu sehen, wie sich dieses einmal wunderschöne Kind in ein geistloses Gespenst verwandelt hatte, war mehr, als er ertragen konnte.
    Valerie stellte sich neben ihn, während Shapiro weiter auf Julia einredete. »Er kann so gut mit ihr umgehen«, sagte sie und blickte über die Schulter zu den beiden zurück. »Hat uns als Einziger ernst genommen, sich unseren Fall genauer angeschaut. Nicht, dass es ihr irgendwie helfen würde, aber zumindest wird so vielleicht niemand anderes …«
    Sie verstummte. Also standen sie schweigend nebeneinander und betrachteten das braune Gras vor dem Fenster, die paar wenigen tapferen Azaleen, die neben dem aufgesprungenen Weg wuchsen und mit ihren Blüten der Märzkälte trotzten. »Werden Sie wirklich gegen BioRegen ermitteln, Agent Carver? Oder sind Sie nur hier, um einer Mutter zu sagen, was sie hören will? Denn leere Versprechen kann ich nicht gebrauchen. Ich habe Julia schon lange verloren – ihr Körper hat nur noch eine Weile länger durchgehalten. Das glückliche Mädchen mit dem breiten Lächeln, mein Baby, sie ist in dem Moment von mir gegangen, als sie nicht mehr wusste, wer sie ist, wer ich bin oder wie sie essen soll … was Essen überhaupt ist. Das, was jetzt noch von ihr übrig ist, das ist nicht mehr Julia.«
    Jake war fast erleichtert über den Anflug von Wut in Valeries Stimme. Am liebsten hätte er sie darin bestärkt – doch wie konnte er sich anmaßen, ihr Ratschläge zu geben?
    Stattdessen drehte er sich zu ihr. »Ich werde mein Bestes tun«, versprach er.
    Sie nickte und rieb sich die Hände, als hätte sie gerade etwas erledigt. »Also gut. Was ist der erste Schritt?«
    »Ich denke, Jake könnte vielleicht eine Reise nach Guatemala unternehmen«, antwortete Shapiro von hinten.
    Jake fuhr ruckartig herum. »Guatemala?«
    »Ja. Ich vermute, es gibt eine Verbindung zwischen eurem

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