Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
zweite Waffe ab, Hector sein Messer, eine Pistole, das Gewehr und die Munition. Anschließend fesselten sie ihnen beiden die Hände hinter dem Rücken und schubsten sie nach vorne, bis sie im Gänsemarsch durch den Dschungel liefen. Caitlyn zählte fünf Männer, von Hectors Truppe war weiterhin nichts zu sehen. Waren die Männer etwa alle tot?
Sobald sie den schützenden Dschungel erreicht hatten, erschütterte eine Explosion den Boden um sie herum. Caitlyn blieb stehen und blickte über die Schulter zurück.
Der Helikopter stand in Flammen.
Der Tag verging wie im Nu, und nach einem festlichen Abendessen mit dem Doktor und Michael, das bis tief in die Nacht andauerte, kehrte Maria erschöpft in ihr Zimmer zurück. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie nicht mehr dazu gekommen war, nach der Telefonleitung zu fragen. Obwohl ihr immer noch ein wenig bange vor dem Zorn ihres Vaters war, wäre eine Telefongespräch besser gewesen, als sich ihm später persönlich zu stellen, wenn er hier eintraf.
Außerdem musste sie lernen, sich verantwortungsbewusst zu verhalten, wenn sie wie eine Erwachsene behandelt werden wollte. Dieser gemeinsam mit Michael verbrachte Tag, seine lebensbejahende Art und wie er mit seiner eigenen Sterblichkeit umging, hatten sie darin noch bestärkt.
Sie ging also wieder nach unten in das Arbeitszimmer des Doktors, in dem sie nach dem Abendessen noch einen Cognac getrunken hatten. Die Tür war verschlossen, Maria konnte jedoch Stimmen hören. Sie hielt inne und lauschte wider Willen, unsicher, wie sie sich verhalten sollte. Bis zum nächsten Morgen abwarten? Aber ihre Eltern wären dann wahrscheinlich bereits auf dem Weg hierher.
»Das kannst du nicht tun!«, rief Michael. Maria zuckte zurück, als sie die Wut in seiner Stimme bemerkte. »Das lasse ich nicht zu!«
»Beruhige dich.« Der Doktor erhob seine Stimme.
»Nein. Das werde ich nicht. Das ist verabscheuungswürdig. Verrückt. Es ist, es ist …«
»Es muss sein. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
»Habe ich in dieser Angelegenheit denn nicht auch ein Wörtchen mitzureden? Es geht immerhin um mein Leben.«
Die Stimmen wurden leiser, die dicken Holztüren schluckten das leise Geflüster fast vollständig. Maria beschloss, lieber in ihr Zimmer zurückzugehen und es vielleicht morgen in aller Frühe wieder zu versuchen. Also schlich sie sich zur Treppe zurück. Als sie oben ankam, knallte unten die Bürotür auf.
»Michael, tu nichts Unüberlegtes. Halt dich von dem Mädchen fern!«, rief der Doktor.
Redete er etwa über sie? Weshalb sollte er Michael vor ihr warnen?
»Du kannst tun, was du willst, Vater.« Michaels Tonfall ließ die liebevolle Anrede wie eine Verwünschung klingen. »Ich schätze, das hast du immer getan. Was ich will, hat für dich keinerlei Bedeutung.«
»Sag das nicht. Alles, was ich tue, tue ich nur für dich. Das musst du mir glauben.«
Michael erwiderte nichts, rollte nur mit surrenden Rädern auf den Fahrstuhl neben dem Treppenlauf zu. Maria presste sich mit dem Rücken an die Wand, sodass sie von unten nicht zu sehen war.
»Michael«, rief ihm sein Vater hinterher, als er den Fahrstuhl betrat. »Es wird alles gut. Das verspreche ich. Ich werde dich nicht verlieren, mein Sohn.«
Die Fahrstuhltür schloss sich krachend, ehe sich die Kabine in Bewegung setzte. Maria rannte über den Flur auf ihr Zimmer zu, schloss die Tür jedoch nicht ganz. Durch den Schlitz beobachtete sie, wie Michael aus dem Fahrstuhl rollte. Er fuhr zu seinem Zimmer, das nur zwei Türen von ihrem entfernt war, hielt kurz an und legte dann den restlichen Weg bis zu ihrem Zimmer zurück.
Sie flitzte durchs Zimmer zu ihrem Bett und tat so, als würde sie in Heldas Zeitschriften blättern, als sie ein zögerliches Klopfen hörte. »Maria, bist du wach? Darf ich reinkommen?«
»Ja, na klar.«
Er schob die Tür auf und fuhr hinein. Überrascht sah sie zu, wie er die Tür hinter sich zuzog.
»Michael, alles in Ordnung? Du siehst furchtbar aus.« Sein Gesicht war gerötet, und er schien außer Atem. »Soll ich deinen Vater oder Helda rufen?«
»Nein, mir geht es gut.« Er mied ihren Blick. »Und er ist nicht mein Vater. Nicht wirklich. Nicht mehr.«
Sie setzte sich im Bett auf. »Was meinst du damit?«
»Ich weiß nicht, wer mein Vater ist, aber dieser Mann ist es nicht.« Er schob den Rollstuhl weiter vor, bis sich ihre Füße beinahe berührten. »Ich habe dir doch erzählt, dass meine Mutter gestorben ist, als ich noch ein Kleinkind
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