Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
vielen anderen Geräusche, also konnte sie nicht mit Sicherheit sagen, wie weit er entfernt lag. Er bot ihr die beste Fluchtmöglichkeit – sie könnte sich entlang des Laufs flussabwärts durchschlagen, dann würde sie diese Klinik erreichen, an deren Namen sie sich nicht mehr erinnern konnte – sie wusste nur noch, dass er mit I anfing.
Kurz darauf betraten sie eine schwach von Mond und Sternen erhellte Lichtung. Um sie herum ragten Steinruinen auf. Das musste das Dorf sein, das sie auf den Satellitenbildern gesehen hatte. Auf den Aufnahmen waren jedoch lediglich ein zerfallener Kirchturm, ein teilweise eingestürztes Dach sowie einige Steinfundamente zu erkennen gewesen. Bewohnbare Behausungen gab es dort keine, aber vielleicht lagen die im Dschungel verborgen.
War dies etwa eines der Dörfer, die Hector und seine Einheit angeblich zerstört hatten?
Auch von Massenmord war die Rede gewesen. Aber es war nicht ihre Aufgabe, Verbrechen zu untersuchen, die vor über zwanzig Jahren verübt worden waren – sie musste Maria retten.
Ihre Wachen wiesen sie an, stehen zu bleiben. Flackerndes Kerzenlicht erschien in der klaffenden Lücke, die einmal ein Hauseingang gewesen war. Als die Person mit der Kerze näher kam, erkannte Caitlyn, dass der Eingang zu einer alten Steinkirche gehörte.
Hector sagte etwas auf Spanisch – Caitlyn hörte den Namen Maria, sonst verstand sie nichts. Was auch immer er gesagt hatte, gefiel den Wachen überhaupt nicht: Einer von ihnen stieß Hector mit dem Gewehr in den Rücken, sodass er auf die Knie fiel. Hector redete unbeeindruckt weiter, hielt nicht einmal inne, als der Aufpasser über seinem Kopf weit mit der Waffe ausholte.
»Stopp!«, rief Caitlyn und ging einen Schritt auf Hector und den anderen Mann zu. Ihr Aufpasser packte sie grob am Arm. Sie riss sich los. »Bitte, wir sind hier, weil wir Hilfe brauchen. Es geht um das Leben eines Mädchens. Bitte hören Sie uns an.«
Sie wusste nicht, ob irgendjemand außer ihr und Hector Englisch sprach und konnte nur hoffen, dass Hector ihre Worte übersetzen würde. Aber der Mann, der zum Schlag ausgeholt hatte, ließ die Waffe bereits wieder sinken und schaute fragend zu der Person mit der Kerze hinüber.
Die Frau hob die Kerze an, sodass ihr Gesicht erkennbar wurde. Sie war kleiner als Caitlyn, mit hohen Wangenknochen und den unergründlichen Augen der Maya. Sie trug ein schlichtes weißes Oberteil und Jeans, schien ungefähr Ende dreißig oder Anfang vierzig zu sein. Das dicke lange Haar war in einem geflochtenen Zopf um ihren Kopf geschlungen.
Hector spuckte vor ihr auf den Boden. »Ich hatte gehofft, du wärst tot.«
Die Frau lächelte. »Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen, Oberst Alvarado.« Sie sprach nahezu akzentfrei Englisch, lediglich ihre ungewöhnliche Betonung klang ein wenig exotisch. »Und Sie sind?«, wandte sie sich jetzt an Caitlyn.
»Supervisory Special Agent Caitlyn Tierney, vom FBI .«
»Das FBI ? Sie haben hier keine Befugnis.«
»Ich weiß. Deswegen benötigen wir ja auch Ihre Hilfe. Wir glauben, dass Maria Alvarado, ein neunzehnjähriges Mädchen, entführt wurde und in höchster Gefahr schwebt«, sagte Caitlyn eindringlich.
Die Frau tastete nach einem kleinen goldenen Kreuz, das sie an einer Kette um den Hals trug. Es funkelte im Kerzenschein. Dann endlich nickte sie den Wachen zu, drehte sich um und ging in die ausgebrannte Kirche zurück.
»Wer ist das?«, flüsterte Caitlyn Hector zu, während sie ihr folgten.
Hector antwortete nicht, presste die Lippen aufeinander, den Blick fest auf die Frau vor sich gerichtet. Caitlyn fragte sich, wo seine Männer steckten und ob sie einen Plan hatten. Bei einer Gefangennahme galt es unter allen Umständen, sich nicht von den Entführern in ein Fahrzeug oder ein Gebäude drängen zu lassen. Allerdings war die ganze Sache ohnehin schon völlig aus dem Ruder gelaufen.
Sie war froh, dass sie Hector wenigstens von seinem geplanten Sturmangriff hatte abbringen können. Wenn er seinem Team das überhaupt so wie besprochen weitergegeben hatte und wenn das Team seinen Anweisungen folgte.
Obwohl Caitlyn lediglich fünf Wachen und die offenbar unbewaffnete Frau gezählt hatte, spürte sie, dass sich auf dem Gelände und in den dunklen Ecken der Kirche noch andere Menschen befanden. Wenn Maria hier war, würde sie bei einem Schusswechsel wahrscheinlich ums Leben kommen – ebenso wie die Truppe ihres Vaters und Hector und Caitlyn selbst.
Der Steinbogen über dem
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