Wenn die Dunkelheit kommt
starrte auf die Illustrierte hinunter. Die Bilder und die Worte verschwammen und wurden wieder scharf.
Das schlimmste war, daß sie jetzt hundertprozentig sicher wußte, daß die Kobolde nicht nur hinter ihr her waren. Sie hatten es auch auf Davey abgesehen.
3
Rebecca hatte nicht auf Jack gewartet, obwohl er sie darum gebeten hatte. Während er noch bei Captain Gresham geblieben war, um die Einzelheiten für die Bewachung von Penny und Davey auszuarbeiten, hatte Rebecca offenbar ihren Mantel angezogen und war nach Hause gegangen.
Als Jack merkte, daß sie fort war, seufzte er und sagte leise: »Einfach machst du es einem wirklich nicht, Baby.«
Auf seinem Schreibtisch lagen zwei Bücher über Voodoo, die er sich gestern aus der Bibliothek geholt hatte. Er starrte sie lange an und entschied dann, daß er noch vor morgen früh näheres über Bocors und Houngons erfahren mußte. Er zog Mantel und Handschuhe an, klemmte sich die Bücher unter den Arm und ging hinunter in die Tiefgarage unter dem Gebäude.
Da er und Rebecca mit der Leitung der Sonderkommission beauftragt worden waren, kamen sie jetzt in den Genuß von Vergünstigungen, die für einen normalen Beamten der Mordkommission unerreichbar waren, und dazu gehörte auch, daß sie beide rund um die Uhr, nicht nur während der Dienststunden, über einen zivilen Polizeiwagen verfügen konnten. Jack wurde ein ein Jahr alter, scheußlich grüner Chevrolet zugeteilt, der einige Beulen und noch mehr Kratzer aufwies. Die Mechaniker der Fahrbereitschaft hatten sogar Schneeketten aufgezogen. Die Kiste war startbereit.
Jack rangierte rückwärts aus der Parkbucht und fuhr die Rampe hinauf zur Straßenausfahrt. Dort blieb er stehen und wartete, während ein mit einem großen Schneepflug, einem Salzstreuer und vielen blitzenden Lichtern ausgestattetes städtisches Räumfahrzeug in der sturmdurchtosten Dunkelheit vorbeifuhr.
Außer dem Räumfahrzeug waren nur noch zwei Autos auf der Straße. Der Sturm hatte die Nacht praktisch für sich allein. Aber als das Fahrzeug vorbei und der Weg frei war, zögerte Jack immer noch.
Er schaltete die Scheibenwischer ein.
Wenn er zu Rebeccas Wohnung wollte, mußte er nach links abbiegen.
Zum Haus der Jamisons ging es nach rechts.
Er sehnte sich nach Penny und Davey, sehnte sich danach, sie zu umarmen, sie warm, lebendig und lächelnd vor sich zu sehen.
Natürlich waren sie im Augenblick nicht wirklich in Gefahr. Selbst wenn Lavelle seine Drohung ernst meinte, würde er nicht so bald losschlagen, und er konnte auch nicht wissen, wo sie zu finden waren, selbst wenn er jetzt schon handeln wollte.
Links, rechts, links.
Sie waren bei Faye und Keith völlig sicher. Außerdem hatte Jack Faye gesagt, daß er wahrscheinlich nicht rechtzeitig zum Abendessen dasein würde.
Endlich nahm er den Fuß von der Bremse, fuhr auf die Straße hinaus und bog nach links ab. Er mußte mit Rebecca über das sprechen, was letzte
Nacht zwischen ihnen geschehen war. Sie war diesem Thema den ganzen Tag über ausgewichen. Er konnte nicht zulassen, daß sie sich weiterhin davor drückte. Sie mußte sich den Veränderungen stellen, die die letzte Nacht in ihrer beider Leben gebracht hatte, tiefgreifende Veränderungen, die er aus ganzem Herzen begrüßte, über die sie aber bestenfalls zwiespältig zu denken schien.
Das Ding kauerte in den tiefen Schatten neben dem Garagenausgang und beobachtete, wie Jack Dawson in der Zivillimousine wegfuhr.
Seine leuchtenden Silberaugen blinzelten kein einziges Mal. Dann kroch es, immer in den Schatten bleibend, in die verlassene, stille Garage zurück.
Wo immer es hinwollte, fand es den Schutz von Schatten und Dunkelheit - selbst da, wo noch einen Augenblick zuvor keine Schatten gewesen waren. Es schlich sich von einem Wagen zum anderen, kroch unten durch und außen herum, bis es zu einer Abflußöffnung im Garagenboden kam. Es stieg in die darunterliegenden, mitternächtlichen Regionen hinab.
4
Lavelle war nervös.
Ohne das Licht anzuschalten, wanderte er rastlos durch das Haus, treppauf und treppab, hin und her; er suchte nach nichts Bestimmtem, konnte nur einfach nicht stillhalten, und er bewegte sich ständig in tiefster Dunkelheit, stieß aber nie gegen Möbel oder Türen. Er war wirklich in den Schatten zu Hause. Schließlich war die Dunkelheit ein Teil von ihm.
Seine Nervosität bereitete ihm Unbehagen. Aus dem Unbehagen erwuchs Furcht. Furcht war etwas Ungewohntes für ihn. Er wußte nicht so recht, wie
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