Wenn die Liebe dich findet
tiefer hinein und drehte sie. Das Pferd brach aber nicht ganz auseinander, nur ein kleines Stück Porzellan splitterte ab. Zur Hölle mit dem Ding! Er wickelte das Pferd in das Handtuch, ging zum Kamin und schmetterte es gegen das Kaminsims. Dann öffnete er das Handtuch und fand ein gefaltetes Stück Papier zwischen den Scherben.
Mein liebster Devin,
ich hoffe, du findest diesen Brief, wenn du alt genug bist, um das alles zu verstehen. Ich konnte dir als Kind nicht die Wahrheit sagen, aber ich hatte immer vor, dir später alles zu erzählen. Es tut mir leid, dass du es jetzt lesen musst, statt es von mir zu hören, aber das Schicksal hat nun einmal so entschieden. Ich will keine Ausflüchte suchen. Ich habe deinen Vater geliebt, auch nachdem ich herausgefunden hatte, dass er es nicht wert war. Das Herz ist manchmal so töricht. Aber Lord Garth war charmant, gut aussehend, und er hat mir seine Liebe gestanden. Ich war so jung und habe ihm geglaubt. Doch es war eine Lüge. Er sagte es zu allen Frauen, um sie zu verführen. Sei niemals so, Devin! Sprich diese Worte nicht aus, wenn du es nicht ernst meinst!
Ich dachte, er würde mich heiraten, obwohl er aufhörte, um mich zu werben, nachdem er bekommen hatte, was er von mir wollte. Ich wusste nicht, dass er schon verheiratet war, sogar Kinder hatte. Er hat es mir erst gestanden, nachdem ich ihn aufgesucht und ihm von dir erzählt hatte. Ich war am Boden zerstört. Er hatte seine wahre Natur offenbart. Er war nicht mehr als ein herzloser Verführer und Weiberheld, kein Vater, auf den du stolz sein könntest. Er entschuldigte sich nicht einmal für das, was er mir antat. Er fand, mir ein Haus zu überlassen, in dem ich wohnen konnte, wäre eine großzügige Entlohnung dafür, dass er mich ruiniert hatte. Er schlug sogar vor, dass ich dich in ein Waisenhaus gebe. Das ist der Mann, der dich gezeugt hat. Ich habe dich natürlich behalten. Du warst noch nicht geboren, aber ich liebte dich schon.
Du fragst dich bestimmt, warum ich dir all das gerade jetzt erzähle. Ich muss gestehen, dass ich Lord Garth Culley auch weiterhin liebte, obwohl er mich so schäbig behandelt hatte. Ich litt sehr darunter. Doch ich hatte diese närrische Hoffnung, dass er eines Tages seine Familie aufgeben und zu uns kommen würde. Seine Neugier auf dich verlieh mir Hoffnung. Er wollte dich zwar nicht persönlich kennenlernen, aber er schickte seinen Freund Lord Wolseley, um nach dir zu sehen. Das war das einzig Gute, was er je für mich getan hat. Lord Wolseley war ein Mann, auf dessen Liebe ich mich verlassen konnte. Aber das ist ein anderes Thema.
Schließlich und endlich empfand ich nichts mehr für deinen Vater, abgesehen von der Verachtung, die er verdiente. Und das ist auch alles, was ich heute für ihn empfinde. Du bist inzwischen ein Mann. Du hast das Recht zu wissen, wer er ist, und dir eine eigene Meinung zu bilden. Vielleicht hat er dich inzwischen sogar schon gefunden. Vielleicht hat er sich geändert und bereut, was für ein Mann er früher war. Alles ist möglich, und wenn es so ist, dann tut es mir leid, dass ich dir das alles erzähle.
Zum Schluss möchte ich dir noch einmal sagen, wie sehr es mir das Herz gebrochen hat, dich zu meinem Bruder zu schicken, aber es wurde immer schwerer, die Lügen dir gegenüber aufrechtzuerhalten. Du warst so ein kluger Junge und hast viel zu früh mit dem Nachdenken angefangen. Und ich hatte Angst, deinen bohrenden Fragen eines Tages nachzugeben und dir die Wahrheit zu sagen, bevor du alt genug bist, um wirklich zu verstehen. Meine größte Angst war, dass du Garth kennenlernen wolltest und von ihm beeindruckt sein könntest, ihn vielleicht sogar mögen würdest. Er konnte so charismatisch sein, wenn es seinen Zwecken diente. Ich konnte diesen Gedanken nicht ertragen. Aber ich hätte dich nicht ewig auf dem Landsitz meines Bruders gelassen. Ich habe dich viel zu sehr vermisst. Und jetzt habe ich zu lange gewartet. Es ist zu spät, um dich zu mir nach Hause zu holen.
Der Knoten in Devins Brust hatte sich schon gebildet, bevor er die letzten Worte gelesen hatte. Die Wut auf seine Mutter, die ihm in all diesen Jahren so viel Schmerz bereitet hatte, verblasste langsam, während ihm die Tränen die Wangen herabliefen. Sie hatte ihn nicht verlassen. Sie hatte versucht, ihn vor einem Mann zu beschützen, den sie hasste, einem Mann, der ihn jetzt tot sehen wollte. Es war fast ironisch, dass sie gehofft hatte, er hätte sich vielleicht zum Besseren
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