Wenn die Liebe erwacht
Mylady?«
Leonie nahm ihre Rolle als die Herrin von Crewel wieder an, wenn sie ihr auch oft noch so hohl erschien. Um ihre Autorität zu beweisen, würde sie Befehle erteilen und nicht darum ersuchen, daß man ihre Bitten erfüllte.
»Ich will, daß einer Ihrer Männer nach Pershwick reitet. Er soll mit Sir Guibert sprechen oder, wenn er nicht da ist, mit meiner Tante Beatrix. Er soll sagen, daß ich ihn schicke und aus meinen Vorräten Wermut und Kamille brauche. Man wird wissen, warum ich diese Kräuter brauche.«
»Wir haben hier Vorräte. Ich glaube nicht, daß es Sir Rolfe gefällt, wenn Sie etwas aus Pershwick holen lassen.«
»Mein Mann hat nicht darüber zu bestimmen, denn Pershwick gehört mir«, sagte Leonie entschieden. »Und da diese Kräuter hier nicht im Gebrauch sind, bezweifle ich, daß sie vorrätig sind. Ich will sie heute noch haben. Der Wermut wird gegen die Flöhe helfen. Er muß gestreut werden, ehe die frischen Binsen in den Saal gebracht werden, und hinterher noch einmal. Die Kamille wird im Rest der Burg die üblen Gerüche verdecken, bis sämtliche Binsen erneuert worden sind. Ich dulde keinen Schmutz, Sir Evarard, und, bitte, hinterfragen Sie meine Gründe nicht, wenn ich Befehle erteile.«
»Wie Sie wünschen, Mylady«, erwiderte er unwillig und wandte sich ab.
»Ich bin noch nicht fertig«, sagte sie mit scharfer Stimme.
Er drehte sich widerstrebend um. »Mylady?«
»Wie oft gehen Sie auf die Jagd, Sir Evarard?«
»Täglich. Zum Vergnügen und um etwas auf den Tisch zu bringen.«
»Nehmen Sie Hunde, oder haben Sie Falken?«
»Falken sind zu mühsam mitzutragen, und wir sind immer nur von einem Ort zum anderen gezogen, ehe wir uns hier niedergelassen haben. Mein Herr hat bisher noch keine guten Falken gekauft. Die wenigen, die wir hier haben, holen gelegentlich einen der Vögel. Ich benutze sie nicht. Ich ziehe die Hunde vor.«
»Dann kann ich davon ausgehen, daß die Jagdhunde genug Bewegung haben, und wenn nicht, dann haben sie außerhalb der Burgmauern Auslauf. In der Burg selbst werden sie nicht mehr frei herumlaufen. Und ich rede nicht nur von dem großen Saal. Sie haben zu üble Angewohnheiten.«
»Aber sie werden im Saal gefüttert.«
»Ab jetzt nicht mehr«, erwiderte sie und schüttelte angeekelt den Kopf. »Gibt es keinen Mann, der für die Hunde zuständig ist?«
»Doch.«
»Dann sagen Sie ihm, daß er die Tiere, wenn sie nicht gebraucht werden, in den Zwinger sperrt. Falls es keinen gibt, soll er einen bauen – in einer angemessenen Form, damit er täglich gesäubert werden kann.«
»Der Mann wird sich dagegen auflehnen, Mylady«, warnte er sie.
»Dann werden Sie einen Ersatz für ihn finden«, sagte sie, ohne zu zögern. »Und wenn sich kein anderer eignet, dann gehen Sie so mit ihm um, daß er aufhört zu murren. Andernfalls werde ich jemanden aus Pershwick holen müssen.«
»Ich werde dafür sorgen, daß die Angelegenheit geregelt wird, Mylady.«
Er sagte es so hastig, daß es schon komisch klang. Sie nahm an, diese Drohung könnte sie noch öfter einsetzen, wenn sie weiteren Ärger bekommen sollte. Er war mit Sicherheit nicht der einzige in Crewel, der Hilfe von Außenstehenden ablehnte.
20. KAPITEL
Nicht einmal eine Woche lang hatte er sich von ihr fernhalten können, war Rolfes Überlegung, als er fünf Tage später rechtzeitig zum Abendessen in den Burghof ritt. Er empfand den gleichen Widerwillen gegen sich selbst wie damals, als er festgestellt hatte, daß er sich am Tag nach seiner Hochzeit wieder zu Leonie hingezogen gefühlt hatte, obwohl er damals noch gar nicht wußte, wie sie aussah. Dennoch gab es für seine verfrühte Rückkehr noch andere Gründe als seine Frau.
Der Feldzug bei Wroth war zu einem Stillstand gekommen. Zum fünften Mal war der Tunnel, an dem sie arbeiteten, um einen Weg unter den Burgmauern hindurch zu graben, eingestürzt. Rolfe konnte sich neuerliche Verzögerungen nicht leisten. Die verbleibenden Burgen, die er einnehmen mußte, waren seit fast sieben Monaten umzingelt. Die Leute würden allmählich verzweifeln und an einen Punkt kommen, an dem sie gezwungen waren, ihre Tore zu öffnen und zu kämpfen. Und wenn eine der Burgen dies tat, solange Rolfe nicht mit seinem Heer zur Stelle war …
Er mußte eine Entscheidung treffen, wie sie mit der Burg Wroth verfahren sollten, aber das war ein Entschluß, den er ebensogut zu Hause fassen konnte wie in dem Lager, das sie vor den Toren von Wroth aufgeschlagen hatten – und
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