Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
von Schellack überzogen, als ich sie mir aus dem Gesicht strich.
    Da wir so hart arbeiteten, hatten wir kein Feuer gemacht. Jack und Tess saßen draußen auf der Veranda, weil Mama trotz offener Fenster befürchtete, sie könnten die Farbdämpfe einatmen. Ich hörte, wie Jack mich rief, als ich gerade versuchte, mein festgeklebtes Knie vom Boden zu lösen, ohne mit den Handschuhen in die Farbe zu greifen.
    »Was gibt’s?« erwiderte ich und blies mir eine Strähne aus dem Gesicht.
    »Dieser Junge und Lois kommen gerade die Straße herunter.«
    »Orville?«
    »Dieser Junge mit der Pfeife.«
    Eines Abends, ehe Jack von dem Laster angefahren worden war, hatte ein Junge, der Lois besuchte, seinen Cousin Orville aus Jasper mitgebracht. Die beiden Jungen und Lois waren zu uns gekommen, und alle waren der Meinung gewesen, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, dass ich die Vierte im Bunde sein sollte. Eine Weile hatten wir nur auf der Veranda gesessen. Papa hatte beschlossen, dass ich gelegentlich mit einer Gruppe aus Mädchen und Jungs weggehen durfte, wenn er nur jeden Jungen, der mitkam, vorher kennengelernt hatte, wir nicht allzu lange wegblieben und es sich nicht um ein richtiges Rendezvous handelte. Als Lois’ Freund und sein Cousin das nächste Mal in der Stadt waren, kamen sie wieder zu mir, und Orville überreichte mir eine Holzpfeife, die er für mich geschnitzt hatte, damit ich sie Jack ins Krankenhaus bringen konnte. Er war ein netter Junge.
    Aber ich wollte nicht, dass er gerade jetzt vorbeikam, wenn ich so furchtbar aussah. Ich wünschte, es gäbe eine Möglichkeit, mit der die Leute einen schon früher wissen lassen konnten, wenn sie einen besuchen wollten.
    Ich sah, wie Lois und Orville Jack und Tess zuwinkten, als sie auf unseren Weg einbogen, und versteckte mich neben dem Fenster. Heimlich spähte ich hinaus, um zu sehen, wie nahe sie schon waren. Als ich hörte, dass sie die Stufen heraufkamen, riss ich mir die Handschuhe von den Händen und tat mein Bestes, um meine Haare unter dem Kopftuch glattzustreichen. Dann wischte ich mir mit der Innenseite meines Saums so schnell wie möglich das Gesicht ab. Es blieb mir keine Zeit mehr, mich auch noch um den Zustand des Kleides zu kümmern.
    »Virgie!«, rief Lois im selben Moment, in dem sie klopfte.
    Ich zählte bis drei und öffnete dann die Tür. »Hallo. Wir streichen gerade die Böden. Tut mir leid, wenn ich etwas unordentlich aussehe.«
    Dem Ausdruck auf Lois’ Gesicht nach zu urteilen, musste ich wirklich unordentlich aussehen. Aber Orville wirkte völlig gelassen. »Hallo, Virgie«, sagte er freundlich. »Schön, dich zu sehen.«
    Er trat einen Schritt zurück und hielt Lois die Tür auf, damit sie als Erste eintreten konnte. Das Netteste an Orville war, dass er so vollendete Manieren hatte. Er neigte immer leicht den Kopf, wenn er mich begrüßte, und verbeugte sich dabei sogar fast ein wenig. Nie vergaß er, eine Tür aufzuhalten oder einen Stuhl herauszuziehen oder auf dem Bürgersteig auf der Straßenseite zu laufen.
    »Tut mir leid, dass wir dich so überfallen«, meinte Lois und wedelte mit der Hand vor ihrer Nase hin und her, als sie die Farbe roch. »Wir sind nur gerade auf dem Weg in die Stadt, um ein paar Leute zu treffen, und dachten, dass du vielleicht Lust hast mitzukommen.«
    »O nein, das geht nicht«, erwiderte ich. »Nicht so. Und ich bräuchte eine Ewigkeit, bis ich sauber wäre. Ich müsste mich …« Ich hielt inne, weil ich mir auf einmal nicht sicher war, ob man vor einem Jungen erwähnen sollte, dass man sich waschen musste. »Ich müsste mich von Kopf bis Fuß zurechtmachen«, fuhr ich stattdessen fort.
    »Du siehst gut aus«, erklärte Orville, und ich merkte, dass er das wirklich so meinte. Was nett von ihm war, wenn auch irgendwie etwas albern.
    Lois rümpfte noch immer die Nase. Ich öffnete also wieder die Tür und führte meine Freundin nach draußen.
    »Kommt, setzen wir uns auf die Veranda. Ich will ja nicht, dass du in Ohnmacht fällst«, sagte ich. Außerdem wollte ich auch nicht, dass sie dorthin traten, wo ich bereits gestrichen hatte. Also hielt Orville die Tür wieder auf, und wir setzten uns draußen in die Schaukelstühle am anderen Ende der Veranda, weit weg von Jack und Tess, die damit beschäftigt waren, Steine in eine leere Dose zu werfen, die etwa zwanzig Fuß entfernt von ihnen vor dem Haus stand.
    »Tut mir leid, aber ich kann nicht«, sagte ich erneut. »Ich kann mich nicht so schnell fertig

Weitere Kostenlose Bücher