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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Jungen bei ihr ein und aus gehen durften, seitdem sie vierzehn geworden war. »Ich will, dass sein Cousin Lois mitnimmt, und dann könnte Tom dich mitnehmen. Wir könnten zu sechst gehen.«
    »Mit den Jungs?«
    »Ja«, erwiderte sie geduldig, die Hände noch immer in die Hüften gestemmt. »Mit ihnen wären wir sechs. Ohne Jungs wären wir drei.«
    »Das ist wahrscheinlich das Beste, was sie jemals in Mathe leisten wird«, meinte Lois trocken.
    »Ich glaub kaum, dass Papa das erlaubt.«
    »Du kannst ihn ja fragen«, schlug Lois vor. »Es wär nur eine Gruppe von Freunden. Und wir wären die ganze Zeit zu sechst.«
    »Hanson würde uns hinfahren. Er hat ein Automobil, solange sein Bruder in Kentucky arbeitet.«
    Bisher hatte ich noch nie mit jemand anderem außer Papa in einem Automobil gesessen. Er war fünf Jahre zuvor der Erste gewesen, der in Carbon Hill sein eigenes hatte, und seitdem hatte er alle durch die Gegend kutschiert: Verwandte, die zum Arzt mussten, Kumpel, die mit ihm zur Grube fuhren, zu Einkaufsfahrten nach Birmingham. Manchmal wurde er mitten in der Nacht geweckt, um den Arzt zu holen, weil eine Frau ein Kind bekam. Ich glaube, Mama war bisher erst zweimal mitgefahren, außer wenn es am Sonntag in die Kirche ging. Denn jedes Mal, wenn sie wollte, kam ein anderer daher und drängte sich dazwischen. Dann blieb sie zu Hause, lächelte uns zu und winkte von der Veranda aus, während wir davonfuhren.
     
    Leta
    Ich wünschte, sie wären wenigstens nicht am Einmachtag gekommen. Ich wusste, dass sich die Geschichte mit dem Kind im Brunnen in der ganzen Stadt herumgesprochen haben musste, noch bevor es der Sheriff weggebracht hatte. Aber aus irgendeinem Grund warteten die Frauen eine Woche, bevor sie vorbeischauten. Und dann alle auf einmal – wie die Heuschrecken.
    Mitten am Vormittag, als zwei Töpfe auf dem Herd vor sich hin köchelten und das Feuer lichterloh brannte, obwohl die Fenster offen waren, stand ich mit hochrotem Kopf mitten in der heißen Küche. Ganz gleich, wie oft ich mir den Schweiß von der Stirn wischte, ich spürte doch immer wieder, wie mir die salzigen Tropfen über die Wangen liefen und sich auf der Oberlippe sammelten. Mein Kleid war unter den Achseln ganz feucht. Ich schüttete gerade noch etwas Zucker in die Essiggurken, als ich an der Haustür jemanden rufen hörte.
    »Bist du zu Hause, Leta?«
    »Komm nach hinten in die Küche!«
    Ich erkannte die Stimme. Es war Charlene Burch vom Fuß des Hügels – eine kleine Frau mit großen Augen und einer Stimme wie quietschende Zugbremsen. Sie kam in die Küche und schnupperte.
    »Wie viele Gläser Essiggurken hast du schon?«
    »Sechs Viertelgallonen. Eine zweite Ladung mach ich ein andermal. Ich hab für die gerade noch genug Zucker übrig.« Ich trat zur ersten Schüssel. Der scharfe Geruch des Essigs stieg mir in die Nase, als ich sie mit beiden Händen nahm und damit auf die hintere Veranda hinausging. Dort schüttete ich den Essig aus und kam zurück, um auch die zweite Schüssel hinauszutragen.
    Charlene hatte es sich währenddessen am Küchentisch bequem gemacht und biss in einen Birnenschnitz, den sie sich aus einer Schüssel genommen hatte. Er hatte über Nacht in Zucker gelegen, und sie knabberte daran wie eine Maus an einem Stückchen Schokolade. »Ich hab dieses Jahr keine Gurken angepflanzt«, sagte sie. »Die Kinder mögen sie nicht.«
    »Geht es den Jungen gut?«, fragte ich über meine Schulter hinweg, als ich wieder auf die Veranda hinaustrat. »Und Jolie? Wie macht sie sich auf der Oberschule?« Jolie war die Älteste, ein Jahr älter als Virgie.
    »Den Kindern geht es gut. Unser Jüngster fängt nächste Woche mit dem Zeitungsaustragen an. Das bringt ein wenig Extra. Und wie geht’s deinen?«
    »Kann nicht klagen.«
    Ich schüttete den Zucker auf die Gurken und deckte sie mit einem Geschirrtuch ab. Das Wasser im Schiffchen war gerade heiß genug, um mit den Marmeladen anzufangen.
    »Hat das arme Baby nicht alle völlig durcheinandergebracht?«
    Ich füllte den Topf langsam mit der Schöpfkelle bis zur Hälfte mit Wasser. »Nicht so, dass man noch was merken würde. Aber zuerst war Tess schon durcheinander.«
    »Sie hat die Frau ja auch gesehen. Hab ich jedenfalls auf der Post gehört.«
    »Nur einen Schatten.«
    »Wer, glaubst du, würde so was tun?«
    »Keine Ahnung.« Ich beugte mich zu ihr und zog die gezuckerten Birnen weg.
    »Kann es Lola gewesen sein? Sie hätte jedenfalls mehr als genug von den

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