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Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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mich.«
    »Das tust du jetzt doch auch schon«, erinnerte sie Caroline.
    Sie zuckten beide schuldbewusst zusammen, als Viviennes wohlklingende Stimme hinter ihnen ertönte. »Wo, um alles auf der Welt, seid ihr den ganzen Nachmittag gewesen?«
    Sie drehten sich um. Ihre Schwester stand unter dem Gewölbeträger am anderen Ende des breiten steingefliesten Flures.
    »Ich habe zwei Mustertücher fertig gestickt, ein Dutzend Taschentücher gesäumt und allein meinen Tee getrunken«, beschwerte sie sich. »Mr. Wilbury ist nicht unbedingt der fesselndste Gesprächspartner, den man sich denken kann. Langsam werde ich meiner eigenen Gesellschaft überdrüssig.«
    »Wir wollten dich nicht im Stich lassen«, rief ihr Caroline zu. »Wir haben nur eine kleine Erkundungstour gemacht.« Sie schaute verstohlen über ihre Schulter zur massiven Holztür, die den Südflügel bewachte, und gab Portia einen kleinen Schubs in Viviennes Richtung. »Warum gehst du nicht mit Vivienne und leistest ihr ein wenig Gesellschaft, meine Liebe? Ich komme dann gleich nach.«
    Portia gehorchte zögernd, warf Caroline dabei aber einen neugierigen Blick zu. »Sei vorsichtig, ja, meine Liebe ? Man weiß nie, auf welche Kreaturen man in alten, staubigen Zimmern stößt.«
    Caroline wischte Portias Warnung mit einer Handbewegung weg. Es war ihnen nicht nur versagt geblieben, irgendwelche Spiegel zu finden, sie hatten auch keine Spur von ihrem Gastgeber entdeckt. Trotz Portias düsterer Prophezeiungen weigerte sich Caroline zu glauben, dass er in einem Sarg in der Familiengruft schlief.
    Während sie ihren Schwestern hinterherschaute, die sich Arm in Arm entfernten, runzelte sie die Stirn. Es passte gar nicht zu Vivienne, so quengelig zu sein. Und hatte ihr Teint nicht ein wenig blasser ausgesehen als sonst? Caroline schüttelte den Gedanken ab. Vielleicht waren es nur die langsam länger werdenden Schatten, die die Farbe aus den Wangen ihrer Schwester vertrieben. Durch die Butzenglasscheiben des schmalen Fensters am Ende des Korridors konnte sie das lavendelfarbene Licht des anbrechenden Abends erkennen, das die Burg allmählich einhüllte.
    Das Gefühl, dass sie sich beeilen müsse, nahm seltsamerweise zu. Sie drehte sich wieder um und probierte die Türklinke. Die Tür öffnete sich mit einem beklemmenden Knarren, und Caroline blickte in einen fensterlosen, stockdunklen Flur. Sie tastete in der Tasche ihres Rockes nach dem Kerzenstummel und der Zunderbüchse, die sie umsichtigerweise eingesteckt hatte.
    Nach mehreren Versuchen fing der Kerzendocht unter ihren Bemühungen zischend Feuer und tauchte sie in flackerndes Licht. Als sie den Korridor betrat, hielt sie die Kerze hoch und fand sich Angesicht zu Angesicht mit Adrian Kane.
    Sie erschrak und schrie auf. Sie stolperte rückwärts und ließ vor Schreck beinahe die Kerze fallen. Mehrere entsetzliche Augenblicke verstrichen, ehe sie erkannte, dass es nicht der Viscount selbst war, der vor ihr stand, sondern ein lebensgroßes Portrait von ihm in einem vergoldeten Rahmen. Sie kämpfte darum, gleichmäßiger zu atmen, dabei beschrieb sie mit der Kerze einen zittrigen Halbkreis. Das hier war kein gewöhnlicher Flur, sondern eine Gemäldegalerie mit Familienportraits, jeder ihrer Bewohner in seiner Zeit erstarrt, von dem Pinselstrich eines Künstlers auf die Leinwand gebannt.
    Sie trat langsam, zögernd näher zu Kanes Bild, wohl wissend, dass sie vermutlich nie die Gelegenheit erhalten würde, ihn in Fleisch und Blut so unbeobachtet zu studieren. Er stand vor einem stürmischen Himmel, eine Hand auf der Hüfte, die andere um den Silberknauf seines Spazierstocks gelegt. Ein Paar gelangweilter Spaniels lag zu seinen Füßen im Gras.
    Caroline betrachtete sein Gesicht, erkannte erschreckt, wie vertraut es ihr in so kurzer Zeit geworden war. Sie wusste genau, wie sich die Fältchen um seine Augen vertieften, wenn er lachte. Wie sich zwischen seinen hellbraunen Augenbrauen eine steile Falte bildete, wenn sie ihn überraschte oder herausforderte. Wie sein ausdrucksvoller Mund sich zu einer grimmigen Linie verzog, aber sogleich weicher wurde, wenn er sie mit seinen strahlenden Augen anschaute.
    Sie legte eine Fingerspitze auf ihre eigenen Lippen, erinnerte sich wieder, wie dieser Mund sich so zärtlich über ihrem geschlossen hatte. Gewarnt von der aufkommenden Sehnsucht in ihrem Herzen, riss sie ihren Blick von seinem Gesicht los. Erst da bemerkte sie, dass mit seiner Kleidung etwas nicht stimmte.
    Verwundert

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