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Wenn die Nacht dich kuesst...

Wenn die Nacht dich kuesst...

Titel: Wenn die Nacht dich kuesst... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Teresa Medeiros
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würde sich viel besser fühlen, wenn Vivienne lauthals heulen würde, ihr etwas Zerbrechliches nachwerfen oder sie mit scharfen Worten tadeln würde, ein so schamloses Flittchen zu sein, das ihr den Verehrer stahl, wie sie es war.
    Sie näherte sich ihr so weit, wie sie es wagte, und flüsterte: »Vivienne?«
    Doch ihre Schwester verharrte mutlos zusammengekauert und weigerte sich, ihre Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen.
    Caroline streckte eine Hand zu Viviennes gesenktem Kopf aus, sie sehnte sich danach, ihr über das seidige goldblonde Haar zu streichen. Aber sie zog die Hand rasch wieder zurück, weil sie fürchtete, eine solche Berührung könnte ihre verletzliche Schwester in tausend Teile zersplittern lassen.
    »Ich kann mir gut vorstellen, was du von mir halten musst«, begann sie und musste jedes Wort an dem dicken Klumpen in ihrer Kehle vorbeipressen. »Du sollst wissen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun würde, damit du glücklich wirst. Ich würde mir meinen rechten Arm abhacken, wenn das dein Glück und deine Zukunft sicherstellen würde.« Heiße Tränen stiegen ihr in die Augen. »Doch er war das Einzige, das ich nicht ertragen konnte, dir zu überlassen, weil ich ... weil ich ihn so sehr für mich selbst wollte.«
    Zu Carolines Entsetzen begannen Viviennes Schultern zu zucken. Sie hatte gedacht, es wäre eine Erleichterung, wenn ihre Schwester zu weinen begänne. Aber das war es nicht. Diese lautlosen Schluchzer zerrissen Caroline das Herz in der Brust.
    Sie kniete sich neben die Ottomane und spürte ihre eigenen Tränen heiß über ihre Wangen strömen. »Ich hätte von hier abreisen sollen, sobald ich merkte, dass ich mich in ihn verliebte. Ich hätte Tante Marietta bitten sollen, mir eine Stellung als eine Art Gesellschafterin oder Gouvernante zu suchen, und so weit weggehen, dass keiner von euch beiden mich je hätte wiedersehen müssen. Hätte ich auch nur eine Unze Anstand in meiner Seele, würde ich auf der Stelle nach Edgeleaf heimkehren und Cousin Cecils Antrag annehmen. Ein Leben lang jeden Morgen neben der hassenswerten Kröte aufzuwachen ist nicht mehr, als ich als Strafe verdiene für das, was ich dir angetan habe! «
    Ihre Stimme brach in einem heiseren Schluchzer. Nicht länger fähig, die Last ihrer Schuld zu ertragen, legte sie ihren Kopf in Viviennes Schoß, umklammerte ihre Röcke in ihren Fäusten und weinte bittere Tränen der Scham.
    Das Letzte, was sie erwartet hätte, war, eine Hand zu fühlen, die ihr den Kopf streichelte. Einen Augenblick war es, als habe sich die Zeit zurückgespult, und es wäre die Hand ihrer Mutter, die ihren Herzschmerz zu lindern versuchte. Langsam hob Caroline den Kopf und schaute ihre Schwester ungläubig an. Viviennes Wangen waren tränenüberströmt, aber ihr Lächeln war nicht minder herzlich als früher.
    »Du kannst Cousin Cecil nicht heiraten«, teilte ihr Vivienne mit. »Ich weigere mich, die liebevolle Tante für eine Bande hassenswerter, krötengesichtiger Gören zu spielen.«
    Caroline schaute zu ihrer Schwester durch einen wässrigen Schleier auf. »Willst du denn nicht, dass ich bestraft werde für mein abscheuliches Verhalten? Wie kannst du mir verzeihen, dir den Mann abspenstig gemacht zu haben, den du liebst?«
    Vivienne strich ihr noch einmal über die Haare und wirkte mit einem Mal über ihre Jahre hinaus weise. »Weil ich ihn nicht liebe, Caroline. Das habe ich nie getan.«
    Caroline schüttelte den Kopf, und ihre Verwunderung nahm zu. »Das verstehe ich nicht. Wie kannst du das nur sagen? Was ist mit dem Brief, den du uns geschickt hast? Seitenlang hast du dich über seine zahllosen Tugenden ausgelassen, hast seinen unwiderstehlichen Charme in allen Einzelheiten beschrieben. Um Himmels willen, du hast sogar über das i in seinem Namen statt eines Punktes ein Herzchen gemalt.«
    Vivienne zuckte bei der Erinnerung daran zusammen. »Alles, was ich über ihn geschrieben habe, stimmte auch, aber ich denke, ich habe versucht, mich selbst zu überzeugen, dass ich dabei war, mich in ihn zu verlieben. Schließlich gehörte er zu genau der Sorte Mann, die ich brauchte — reich, adelig, einflussreich. Wenn ich einen Gentleman wie ihn an Land zöge, dann, das wusste ich, wären wir gerettet. Ich hätte mit einem Streich unsere Familie vor dem Ruin bewahren können. Ich habe nur versucht, mich um dich und Portia zu kümmern.« Sie fasste Carolines Hand, und in ihren blauen Augen leuchtete eine Zärtlichkeit, von der Caroline

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