Wenn die Nacht dich kuesst...
Nachricht war in einer klaren, aber doch eindeutig weiblichen Handschrift verfasst.
Dieses Mal nahm er immer zwei Stufen auf einmal, denn es graute ihm vor dem, was er wohl finden würde. Ohne sich mit Anklopfen aufzuhalten, stürmte er in das Zimmer oben im Nordturm.
Seine Schritte verlangsamten sich, als er sich Carolines Bett näherte. Die Vorhänge waren zurückgezogen wie bei der Bühne eines Theaters, bereit, sich über dem letzten Akt zu schließen. In einen Morgenmantel aus smaragdgrünem Samt gehüllt, ruhte Vivienne in den Kissen, ihre schlanken Finger wie die eines Kindes unter ihrer Wange gefaltet. Larkins Atem beruhigte sich allmählich, als er sah, dass sich ihre Brust gleichmäßig hob und senkte.
Erleichtert ließ er sich gegen einen Bettpfosten sinken, und fuhr sich mit zitternder Hand über das Kinn. Es schien, als müsse er sich bei Caroline entschuldigen. Vielleicht hatte sich Vivienne wirklich nicht wohl genug gefühlt, um zu dem Maskenball zu gehen. Vielleicht war sie Carolines Bitte, zu ihr zu kommen, gefolgt, um der geschäftigen Betriebsamkeit und dem Lärm aus dem Ballsaal zu entkommen. Sie hatte vielleicht sogar wirklich die Kamee und das Kleid auf dem Dachboden gefunden und darauf beharrt, dass Caroline es anzog, ohne zu ahnen, dass beides einmal einer anderen Frau gehört hatte, die Kane geliebt hatte.
Während er die engelsgleiche Reinheit ihrer Züge mit Blicken verschlang, seufzte er unwillkürlich. Er wäre es zufrieden gewesen, den Rest der Nacht hier zu stehen und über ihren Schlaf zu wachen. Aber wenn einer der Dienstboten ihn sehen sollte, hätte das schlimme Folgen für ihren Ruf.
Sachte zog er die Bettdecke über sie, entschlossen, nicht länger zu bleiben als notwendig, um eine weitere Schaufel Kohlen nachzulegen.
Eine leere Teetasse stand auf dem Tisch neben dem Bett, zusammen mit einem Fläschchen ohne Aufschrift. Sofort erwachten seine Instinkte. Larkin zog den Korken heraus und schnupperte argwöhnisch. Es war nicht mehr als ein leiser Hauch des durchdringend süßen Geruches nötig, damit er erkannte, worum es sich handelte.
»Zur Hölle mit ihnen«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und stellte die Flasche mit Nachdruck zurück. »Zur Hölle mit beiden!«
Er ließ sich auf die Federmatratze neben Vivienne sinken, ohne sich länger Sorgen zu machen, was die Dienstboten wohl denken mochten, wenn sie ihn hier entdeckten.
Er fasste Vivienne bei den Schultern und schüttelte sie sanft. »Vivienne! Vivienne, Liebste, du musst jetzt aufwachen. Du hast lange genug geschlafen!«
Sie begann sich zu rühren, ein schläfriges Stöhnen kam über ihre Lippen. Flatternd hoben sich ihre Augenlider. Es war zu spät für Larkin, eine teilnahmslose Miene aufzusetzen. Er konnte nur wie gelähmt auf den Entsetzensschrei warten, der zweifellos folgen musste, wenn sie erst einmal erkannt hatte, wer über ihr im Bett aufragte und sie anschaute, das Herz in seinen Augen.
Es verging ein Augenblick, ehe er begriff, dass sie noch träumen musste, denn sie hob eine Hand an seine Wange, und ihre Lippen verzogen sich langsam zu einem zärtlichen, kleinen Lächeln, während sie flüsterte: »Portia hat immer gesagt, eines Tages würde mein Prinz zu mir kommen.«
Caroline schloss die Augen, ihr wurde heiß, atemlos und schwindelig, allerdings nicht von den schwungvollen Drehungen des Tanzes, sondern von dem vielen Blut, das von ihrem Kopf in andere, wesentlich leichtsinnigere, unbeherrschtere Regionen ihres Körpers strömte. Beinahe wünschte sie sich, in Adrians Armen ohnmächtig zu werden, damit er sie dann aus dem Saal tragen könnte und all die zärtlichen, unartigen Dinge mit ihr anstellen, die sie sich insgeheim ersehnte, die zu fordern sie aber einfach nicht kühn genug war.
Keiner ihrer Mädchenträume hatte sie auf diesen Moment vorbereiten können. Sie war nicht länger die vernünftige Schwester, die damit zufrieden war, am Rande zu stehen und sehnsüchtig zuzusehen, während ihre Schwestern sich ins Leben stürzten. Stattdessen war sie es, die aller Augen im Saal auf sich zog und die in den Armen dieses wunderbaren Mannes über die Tanzfläche schwebte.
Mit seiner Hand streichelte er ihr über den Rücken, drückte sie fester an sich, so dicht, dass ihre Brüste danach schrien, der fesselnden Enge ihres Korsetts zu entkommen, jedes Mal, wenn sie seine gestärkten Rockaufschläge streiften.
»Wenn du Duvalier unbedingt etwas zu sehen geben willst, sollten
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