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Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition)

Titel: Wenn die Nacht in Scherben fällt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Beer
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ausdrücken. Dabei war Aylin selbst wirklich so ganz und gar nicht verrückt. Im Gegenteil. Fast hatte es den Anschein, sie wolle damit von ihrer eigenen Normalität ablenken. Nele verkniff sich ein Grinsen und schloss die Augen. Die Sonne und die Wärme machten ihr nur zu deutlich bewusst, wie müde sie eigentlich war. Die Erschöpfung nach dem ungewohnt harten Sportprogramm tat ihr Übriges, um sie in Sekundenschnelle in einen bleischweren Dämmerzustand zu versetzen.
    »Na ja, ich muss dann mal wieder rein.« Ein tiefes Seufzen mischte sich in Aylins Stimme. »Noch zwanzig Minuten durchhalten.«
    Nele blinzelte gegen die Sonne, um sie ansehen zu können. »Lässt er es dir nicht durchgehen, wenn du mir Gesellschaft leistest?«, fragte sie– obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
    Aylin schüttelte den Kopf. »Du stirbst ja nicht«, sagte sie. Und hätte Nele nicht gewusst, wie sehr Aylin Basketball verabscheute, sie hätte es ihr vielleicht übel genommen, dass sie dabei ein wenig enttäuscht klang.
    Stattdessen schloss Nele nur erneut die Augen und gähnte. »Dann bis gleich«, murmelte sie. Vielleicht sollte sie einfach die Gelegenheit nutzen und ein bisschen dösen. Das würde ihr nach dem miesen Schlaf der letzten Nächte sicher guttun.
    Mit halbem Ohr hörte sie noch, wie Aylin auf Zehenspitzen den Raum verließ und leise die Tür hinter sich schloss. Die Sonne kribbelte auf ihren Wangen, und allmählich verschwand auch das letzte Zittern aus Neles Knochen. Dafür begann ihre Nase jetzt leicht zu schmerzen. Aber das war, eingehüllt in die Wärme der Sonne und der kratzigen Decke, gar nicht mal so schlimm. Und obwohl sie doch eigentlich nur ein bisschen dösen wollte, schlief Nele nur Sekunden später einfach ein.
    Sie wusste nicht, was sie schließlich weckte. Aber sie konnte nicht allzu lange geschlafen haben, denn der Sonnenfleck war kaum von der Liege bis auf den Boden daneben gewandert. Die gedämpften Stimmen allerdings, die Schritte und das Prellen des Balls auf dem Hallenboden, waren verstummt. Stattdessen hörte Nele jetzt, von weit entfernt, Lachen, Reden und Rufen auf dem Schulhof. Die Frühstückspause musste begonnen haben. Rasch setzte Nele sich auf und bemerkte erleichtert, dass ihre Kopfschmerzen deutlich besser geworden waren. Nur in ihren Ohren rauschte es noch ein bisschen, aber das war halb so wild. Was so ein kurzer Erholungsschlaf doch ausmachen konnte! Und zum Glück war sie diesmal auch von wirren Träumen verschont geblieben.
    Sie war nun sehr froh, dass Aylin ihre Sachen schon aus der Umkleide geholt hatte, denn jenseits der Sonne und der Decke war es immer noch ziemlich kühl. Schnell schlüpfte Nele in ihre Jeans, Jacke und Schuhe. Dann sah sie sich noch einmal um, ob sie auch nichts vergessen hatte, und zog schließlich die Tür zum Krankenzimmer hinter sich ins Schloss.
    Auf dem Flur blieb sie einen Augenblick stehen und überlegte. Vermutlich sollte sie sich bei Herrn Beek zurückmelden, um ihm zu sagen, dass es ihr wieder gut ging. Nele warf einen kurzen Blick in die Halle. Aber die war verlassen, soweit sie das überblicken konnte. Auch ihr fragendes »Hallo?« verklang ohne Reaktion. Ein bisschen merkwürdig war es ja schon, dass er sie anscheinend einfach im Krankenzimmer liegen gelassen hatte. Aber die Sitten waren hier vielleicht anders als in München. Vielleicht vertraute er einfach darauf, dass ihr wirklich nichts Ernstes zugestoßen war? Oder hatte er schon nach ihr gesehen und sie bloß noch ein wenig schlafen lassen wollen?
    Nele beschloss, nicht weiter darüber nachzugrübeln. Am besten würde es sein, sie ging einfach im Lehrerzimmer vorbei und meldete sich dort gesund.
    Sie war schon auf dem Weg den Gang hinunter, als ihr auffiel, dass die Tür zur Jungenumkleide nur angelehnt war. Nele blieb stehen. Hier war ja niemand mehr. Warum sollte sie also den Umweg über die hintere Umkleide nehmen? Entschlossen öffnete sie die Tür– und erstarrte auf der Schwelle wie eine Salzsäule.
    Die Umkleide war nicht leer. Aber selbst wenn Nele nicht felsenfest davon überzeugt gewesen wäre, dass alle ihre Mitschüler längst draußen auf dem Schulhof sein mussten, hätte sie mit vielem gerechnet. Nur nicht damit, plötzlich vor Jari zu stehen. Und auch nicht mit dem, was sie außerdem noch unweigerlich sehen musste.
    Er hatte nur seine Hose an, seine Haare waren nass, und um seinen Nacken hing ein Handtuch. Aber das verdeckte nicht im Geringsten den tiefvioletten, fast

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