Wenn die Schatten dich finden: Thriller (German Edition)
Sie hoffte, dass sie in seinen Ohren überzeugender klang als in ihren eigenen.
Der Adamsapfel in seinem mageren Hals hüpfte, als er schluckte. Wow, der Kerl war sogar noch nervöser als sie! Seine ruckartigen Kopfbewegungen erinnerten sie an einen Vogel, der nach Raubtieren Ausschau hielt. Warum? Er war doch hier das Raubtier.
»Ja …« Wieder schluckte er. »Äh, wollen wir woanders hingehen?«
»Nein, hier ist es doch okay. Wieso?«
»Ich dachte bloß, wir gehen vielleicht irgendwohin, wo nicht so viel los ist … damit wir, ähm, reden können.«
Samara beugte sich leicht vor, um sicherzugehen, dass ihr Mikro alles mitbekam. »Worüber willst du denn reden?«
»Na ja, über die Sachen, über die wir auch online gequatscht haben.«
Ihre nervösen Handbewegungen waren nur teils ge spielt. »Ich hab dir doch gesagt, dass ich solche Dinge nicht so gut finde. Ich dachte, wir lernen uns erst mal kennen.«
Die Art, wie sein Blick in dem kleinen Lokal umherwanderte, machte Samara Sorge. »Suchst du jemanden?«
»Hä? Äh, nein … Ich hab nur gedacht, dass wir irgendwo hingehen, wo es … na ja, privater ist.«
»Später vielleicht.«
Noch ein angestrengtes Schlucken. »Ja, äh, okay. Ich muss mal kurz verschwinden. Bin gleich wieder da.«
Erstaunt beobachtete Samara, wie der sadistische Teenager-Freak von seinem Stuhl aufsprang und buchstäblich nach hinten zu den Waschräumen rannte.
»Was ist passiert?«, flüsterte eine Stimme in ihrem Ohrstöpsel.
Samara zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf, denn sie hatte keinen Schimmer. Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, dass der Kerl, den sie ins Visier genommen hatten, tatsächlich ein Teenager war. Als sie das Treffen verabredeten, hatte sie klargestellt, dass sie nicht bei den schrägen Sachen mitmachen würde, die ihm vorschwebten. Entsprechend waren sie alle ein wenig verwundert gewesen, dass er trotzdem kommen wollte, und hatten angenommen, dass er hoffte, sie doch noch überreden zu können.
Jetzt saß sie hier, wartete und fragte sich, ob der jugendliche Perversling wohl zurückkam.
»Noch ein Wasser?«
Samara sah zu der niedlichen, etwas pummeligen Kellnerin auf. »Nein, danke.«
»Hör zu, Süße, ich misch mich ja nicht in anderer Leute Angelegenheiten ein, aber dein junger Typ ist eben zur Hintertür raus.«
»Ach ja?«
»Ja, tut mir leid.« Sie watschelte davon.
Samara blickte zu den Zivilpolizisten am Nebentisch. »Ich schätze, das war’s.«
Linda Knowles, eine von den beiden Officers, kam zu Samaras Tisch und setzte sich. »Das war komisch, oder?«
»Und wie.«
»Glaubst du, er hat die Falle gewittert?«
»Ich weiß nicht. Ich war perplex, dass er noch so jung ist.«
»Tja, ungewöhnlich, aber alle Perversen waren irgendwann mal jung.«
Samara verdrängte ihr Gefühl, dass etwas nicht stimmte, und nickte. »Da hast du wohl recht.«
»Wir verschwinden dann. Sollen wir dich zu deinem Wagen bringen?«
»Nein, das ist nicht nötig. Ich bleibe noch ein bisschen.«
Linda sah sich nochmals in dem voll besetzten Lokal um. »Okay, bis nächsten Mittwoch.«
Samara blieb an ihrem Tisch sitzen, trank ihr Wasser aus und überlegte, was schiefgelaufen sein könnte. Erst war sie überrascht gewesen, dass er wirklich ein Teenager war, und dann lief er weg, nachdem er nur Sekunden mit ihr gesprochen hatte.
»Hey, Samara, soll ich dich nach Hause fahren?«
Kyle Macklin beugte sich über sie. Unwillkürlich wich sie zurück und biss sich auf die Lippe, als Kyle das Gesicht verzog. Seit Monaten bat er sie um ein Date, und Samara fielen allmählich keine Ausreden mehr ein. Welche Frau würde nicht mit einem großen, gut aussehenden blonden Mann ausgehen wollen, der wie ein Engel lächelte und dessen grüne Augen teuflisch funkelten? Die Antwort war simpel: Eine Frau, die so hoffnungslos in einen Mann verliebt war, dass sie nicht einmal daran dachte, mit jemand anderem auszugehen.
Lächelnd stand sie auf. »Danke, ich bin mit meinem Wagen hier.«
»Dann bringe ich dich hin.«
Sie bahnten sich einen Weg zwischen den umherwuselnden Kellnern und Highschool-Schülern hindurch aus dem belebten Restaurant. Kyle würde sie wieder um ein Date bitten, keine Frage. Samaras Verstand sagte ihr, dass sie sich mit ihm verabreden sollte. Eine Beziehung mit Noah war ohnehin ausgeschlossen. Ihr Herz aber sagte etwas anderes. Solange sie atmete, hoffte sie weiter.
Es war ein klarer, dunkler Abend, und die Luft roch nach dem Regen, der vor einer
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