Wenn die Schatten dich finden: Thriller (German Edition)
hatte.
Im selben Moment schien er zu begreifen, dass er sich verraten hatte. Sofort wurde er wieder verschlossen und nahm einen Schluck von seinem Kaffee.
Samara zuckte innerlich, auch wenn sie sich ein Grinsen verkneifen musste. Sie hatte eben erst eingeschenkt, also verbrannte er sich garantiert die Zunge, wovon er sich allerdings nichts anmerken ließ.
»Du hast gesagt, du erkennst ihn, wenn er antwortet. Woran?«
Noah nahm sich einen Donut, halbierte ihn mit einem Biss, schluckte und antwortete: »Er gibt sich als Supersportler aus, als jemand, der in seiner Stadt ziemlich bekannt ist.«
»Und woher weißt du, dass er die Suche noch nicht beendet hat? Er könnte die zwölf Mädchen nehmen und sich vom Acker machen, ehe ihm jemand auf die Schliche kommt. Wenn die Polizei hinter ihm her ist und man dich auf ihn angesetzt hat, muss er doch wissen, dass es eng für ihn wird.«
»Ich glaube, er entführt fünfzehn, bevor er aufhört.«
»Wieso fünfzehn?«
»Nur eine Ahnung, aber was Besseres haben wir nicht.«
Ihm war nicht die geringste Veränderung anzusehen, dennoch hatte Samara den Eindruck, dass er ihr Informa tionen vorenthielt. Ihn direkt zu fragen brächte nichts, denn so wenig sie über den Mann wusste, hatte sie längst begriffen, dass er ihr nichts erzählen würde, was sie seiner Meinung nach nicht unbedingt wissen musste. Wäre sie nicht überzeugt, dass sie bei diesem Fall helfen könnte, sie hätte ihn spätestens jetzt rausgeworfen. Sich benutzen zu lassen zählte nämlich nicht zu ihren bevorzugten Freizeitaktivitäten. Andererseits war sie sicher, dass Noah ihr alles mitteilen würde, was hilfreich für ihre Aufgabe wäre. »Was soll ich ihm über mich erzählen?«
»Nur die Basics. Du bist sechzehn, gehst auf die Pelham Highschool. Er wird behaupten, auf einer der größeren Schulen in der Stadt zu sein, sodass du zwar seinen Namen und sein Gesicht kennst, nicht aber ihn persönlich. Danach müssen wir abwarten, welche Fragen er stellt.«
»Ich verstehe immer noch nicht, wie du ihn erkennen willst.«
Ein weiteres Achselzucken. »Instinkt. Ich erkenne ihn, wenn ich ihn sehe. Mehr kann ich leider nicht anbieten. Doch ehe wir loslegen, hast du ein Foto von dir, mit dem wir ihn anlocken können?«
»Ja, ich glaube schon.« Ein kalter Schauer durchfuhr sie. Bisher hatten sie nur übers Chatten geredet, was ihr sicher und distanziert schien. Einem solchen Schwein ein Bild von ihr zu schicken, kam Samara ungleich bedrohlicher vor.
»Dir passiert nichts, versprochen.«
Sie hätte sich denken können, dass er ihre Angst bemerkte. »Ich weiß. Es ist bloß ein bisschen unheimlich, ein Foto von sich an jemanden zu schicken, den man nicht kennt, als würde man Reklame für sich machen.«
»Tja, eigentlich ist es ja auch nichts anderes. Viele Leute tun das, überall und ständig, ohne dass es irgendwelche Folgen für sie hat. Nur kann man eben nie wissen, wann es sicher ist und wann nicht.«
Samara stand auf und begann, die Küche aufzuräumen. Nach einem Minikuchen und einem Donut verlangte ihr Zuckerspiegel, dass sie sich bewegte. In der Zwischenzeit ging Noah ins Wohnzimmer und fuhr seinen Computer hoch.
Als sie eine Weile später nach ihm sah, stellte sie verwundert fest, dass er den kleinen Schreibtisch aus ihrem Gästezimmer hergetragen hatte und bereits online war.
»Was soll ich machen?«
Noah holte einen Stuhl aus der Küche und stellte ihn vor den Schreibtisch. »Komm her. Sehen wir mal, was wir finden.«
Samara setzte sich neben ihn, wo sie die nächsten Stunden erstaunt hocken blieb. Längere Zeit vor dem Computer zu verbringen, war noch nie etwas für sie gewesen, weshalb sie normalerweise gar keine Chatrooms besuchte. Sie merkte durchaus, dass sie fast pausenlos den Kopf schüttelte, konnte aber einfach nicht aufhören. Die Leute schrieben sich die unglaublichsten Dinge, von schlüpfrig über albern bis hin zu regelrecht boshaft. Und hatten die alle noch nie etwas von automatischer Rechtschreibprüfung gehört? Ihr Vater, der Englischlehrer, bekäme einen Schlaganfall, wenn er diesen verschwurbelten Müll sähe.
Als Samara bei einem besonders widerlichen Eintrag hörbar die Luft anhielt, blickte Noah zu ihr. »Schaffst du das hier?«
»Schon gut. Ich weiß, dass ich verschreckt wirke, na ja, ich bin auch schockiert. Aber da steht nichts, was ich nicht schon mal gehört hätte. Ich bin Sozialarbeiterin, also kenne ich das alles … es ist bloß …« Sie schüttelte den Kopf.
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