Wenn die Schatten dich finden: Thriller (German Edition)
Anspannung.
Noah schaute sich um. »Also, was haben wir hier?«
Ein LCR -Agent, von dem Samara wusste, dass er Dylan hieß, deutete auf den Mann, der am Boden lag. »Er kam plötzlich um die Ecke gerannt, muss sich bis eben versteckt haben. Die Sanitäter und eine Betreuerin sind bei den Mädchen in der Hütte.« Dann wies er zum Truck. »Das seht ihr euch am besten selbst an.«
Samara trottete hinter den anderen her und hielt unwillkürlich die Luft an, als sie in den Laderaum blickte. Ein Dutzend junger Mädchen hockten auf dem Boden, aneinander und an die Seitenwand des Lkws gekettet. Manche von ihnen waren nackt, andere in Unterwäsche. Zwei LCR -Leute waren dabei, die Handschellen zu öffnen. Einige Mädchen weinten, während andere sichtlich unter Schock standen und nur leer vor sich hin starrten.
Noah stand vor der offenen Ladeluke. »Ladys, wir bringen euch jetzt so schnell wie möglich zu euren Familien zurück«, sagte er gerade laut genug, dass die Mädchen ihn hören konnten, und so mitfühlend und freundlich, dass Samara Tränen in die Augen stiegen. War es ein Wunder, dass sie diesen Mann liebte?
Ohne auf sie zu achten, wandte er sich wieder an Dylan. »Holt sie aus dem Wagen und seht nach, ob ihr eine halbwegs saubere Hütte findet, in der sie warten können. Und holt Sanitäter und Betreuer hinzu. Sie sol len behandelt und angezogen werden, ehe jemand anders sie sieht. Ach, und überprüf bitte, ob eines der Mädchen hier oder in der Hütte Lara Kelly ist. Falls du sie findest, ruf Gabe auf dem Handy an, damit er ihrem Bruder Justin Bescheid geben kann.«
Dylan nickte und machte sich sofort an die Arbeit, während Noah sich mit zwei anderen Agenten besprach. Samara wandte sich ab, weil sie nicht wollte, dass er sie in diesem Zustand sah. Sie musste unbedingt ihre Emotionen unter Kontrolle bekommen, bevor sie etwas sagte. Das Letzte, was Noah im Moment gebrauchen konnte, war eine weinerliche Frau, die ihm vor seinen Mitarbeitern ihre Liebe gestand. Sollte sie jetzt den Mund aufmachen, würde allerdings genau das passieren.
Also atmete sie tief durch und ging zu Eden und Jordan. Vielleicht half ihr Edens ruhige, vernünftige Art, ihre Rührseligkeit in den Griff zu bekommen.
Aus dem Augenwinkel beobachtete Noah, wie Samara auf die beiden zuging. Erschöpft schlurfte sie mit ihren bloßen Füßen über die Erde, und Noah biss die Zähne zusammen. Nichts täte er jetzt lieber, als sie in seine Arme zu heben und von hier fortzutragen. Wieder einmal hatte sie seinetwegen leiden müssen. Wieder einmal hatte er versagt.
Mit der eisernen Beherrschung, die er sich vor Jahren antrainiert hatte, hielt er sich zurück. Seine persönlichen Wünsche waren unerheblich; einzig seine Pflicht zählte. Er hatte einen Job zu erledigen.
»Ich glaub’s ja nicht! Wenn das nicht Michael Stoddard ist, älter zwar, aber immer noch auf Ärger aus.«
Noah drehte sich zu dem Mann um, der einst alles getan hatte, um ihn hinter Gitter zu bringen. Er nahm Luther Prickrel, den Sheriff von Bolton County in Mississippi nur mit einem leichten Heben der Brauen zur Kenntnis. Noah war noch ein Teenager gewesen, als der Schurke Luther schon Deputy war. Und dem fiesen Grinsen sowie den geballten Fäusten nach zu urteilen, war Prickrel mit den Jahren nicht netter geworden.
Der Sheriff blickte auf den bewusstlosen Mitch hinab. »Ich wusste immer, dass irgendwann einer von euch beiden den anderen umbringt. Dachte bloß, dass es andersrum ausgeht.«
»Du meinst, du hast es gehofft.«
Luther grinste, sodass die breite Lücke zwischen seinen Schneidezähnen zu sehen war. Eines der wenigen Dinge, über die Mitch und Michael zusammen gelacht hatten, war die Art gewesen, wie Luther bei manchen Lauten durch die Zahnlücke gepfiffen hatte. Diesen Gedanken verdrängte Noah gleich wieder.
»Ich habe keine Zeit für diesen Mist, Prick. Soweit ich weiß, ist nur einer tot, und den erkennst selbst du an dem Messer, das ihm im Hals steckt. Allen anderen dürfte ein hübsches langes Leben hinter Gittern beschert sein.«
Luther funkelte ihn verärgert an, denn er konnte den Spitznamen nicht leiden, den er schon fast sein ganzes Leben ertragen musste. »Ich bin hier in der Gegend das Gesetz, und du erzählst mir nicht, wer ins Gefängnis geht. Das ist mein Job!«
»Ich denke, der Bürgermeister hat dir schon alles gesagt, was du wissen musst.«
»Der vertritt hier genauso wenig das Gesetz.« Er blickte sich unter den vielen Leuten um, den LCR
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