Wenn die Schatten dich finden: Thriller (German Edition)
stießen Mitch in den weißen Van. Er wehrte sich nicht einmal. Sollten sie ruhig glauben, dass er sich in sein Schicksal fügte. Er würde rauskommen. Sein Daddy hatte immer gesagt, dass er der Schlaueste von den Stoddards war, der aus jedem Schlamassel herausfand. Er hatte Kontakte auf der ganzen Welt, Leute, die ihm Gefallen schuldeten. Sie würden ihm helfen. Und sobald er draußen war, würde er sich als Erstes seinen Bruder schnappen – und danach die kleine schwarzhaarige Schlampe.
Beide würden sie am Ende darum betteln, sterben zu dürfen.
14
Jahrelang hatten für Noah die Ziele von LCR im Mittelpunkt gestanden, denen er alle persönlichen Bedürfnisse unterordnete. Heute war er erstmals kurz davor gewe sen, von seinen ehernen Grundsätzen abzuweichen. Beim Abschied von Samara, einer Frau, die er zutiefst bewunderte und die in ihm sowohl Verlangen als auch zärtliche Gefühle weckte, deren er sich gar nicht für fähig gehalten hätte, war er beinahe eingeknickt.
Aber es war vorbei. Es musste vorbei sein. Samara war wie geschaffen für ein glückliches Leben, ein schönes Heim, nicht jedoch für die gefährliche und oft widerwärtige Welt, in der Noah sich bewegte. Sie war Güte und Licht. Er trug das Blut des Bösen in sich. Niemals könnten sie eine gemeinsame Zukunft haben, ganz gleich, wie sehr ihn diese Erkenntnis schmerzte.
Auf dem Weg nach Biloxi zwang Noah sich, mit seiner Aufmerksamkeit in die Gegenwart zurückzukehren. Zu sammen mit Jordan und gefolgt von drei weiteren Wagen fuhr er hinter dem großen Transporter her zum Treffen mit Bennett.
Endlich würden sie den Mann zur Strecke bringen, der schuld an Milos Tod war, und im selben Zuge einen mächtigen Menschenhändlerring sprengen.
Dies hier war es, wofür er lebte, der Grund, aus dem er LCR gegründet hatte. Es war seine Berufung, sein Schick sal und seine Wiedergutmachung. Warum also empfand er nicht dieselbe Zufriedenheit, die er sonst verspürte, wenn er seine Ziele erreichte?
Einiges war unplanmäßig verlaufen.
Noah hatte heute einen Mann getötet, aber nicht seinen Bruder. Mitch war böse, jenseits jedweder Hoffnung auf Läuterung, und dennoch hatte Noah es nicht fertiggebracht, ihn umzubringen. Ein menschliches Wesen zu töten, egal welches, fiel Noah nie leicht. Die wenigsten Leute wussten, dass er bis heute noch niemanden umgebracht hatte. Einmal hatte er Milo gestanden, dass er zwar gegen sämtliche anderen Gebote verstoßen hatte, aber alles täte, um dieses eine niemals zu brechen.
Bei der Gründung von LCR war einer seiner Grundsätze gewesen, tödliche Konfrontationen zu meiden. Die Opfer sollten gerettet und die Täter nur dann getötet werden, wenn es unbedingt erforderlich oder absolut unvermeidlich war. Den Mann zu ermorden, der Samara eine Waffe an den Kopf hielt, war eine leichte Entscheidung gewesen, aber Noah konnte seinem Bruder nicht das Leben nehmen. Sollte Mitch im Gefängnis verrotten. So müsste Noah nicht mit noch einem weiteren schwarzen Flecken auf seiner Seele leben.
»Sie ist in dich verliebt, wie du hoffentlich weißt.«
Jäh aus seinen Gedanken gerissen, sah Noah zu Jordan hinüber, der hinterm Steuer saß. »Was?«
»Samara … sie ist in dich verliebt.«
Noah zuckte mit einer Schulter und starrte nach vorn. »Das bildet sie sich nur ein. Letztes Jahr war sie in dich verliebt und kam ziemlich schnell darüber hinweg.«
Jordan schnaubte verächtlich. »Sie war nicht in mich verliebt. Ich erkenne es, wenn jemand verliebt ist … vielleicht weil ich so unglaublich in meine Frau verknallt bin, keine Ahnung. Jedenfalls weiß ich, dass Samara mich zwar sehr gern mochte, aber das war keine Liebe. Dich hingegen liebt sie wirklich.«
Noah blieb stumm. Was sollte er darauf auch sagen?
»Und, was willst du tun?«
»Nichts.«
»Warum?«
»Was erwartest du, dass ich tue? Samara ist nicht geschaffen für diese Art Arbeit, und ich kann nichts anderes.«
»Oh Mann, Noah! Ich meine doch nicht, dass sie für dich arbeiten soll. Ich rede davon, dass sie ihr Leben mit dir verbringt.«
»Mein Leben ist LCR . Etwas anderes kenne ich nicht … bin ich nicht. Sie hat ein normales Leben verdient, nicht eines voller Täuschung und Finsternis.« Er lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Und jetzt halt den Mund oder lass mich aussteigen. Ich brauche keinen Rat, was mein Liebesleben angeht.«
Jordan gab sich keinerlei Mühe, seine Belustigung zu verbergen. »Nein, was du brauchst, ist ein kräftiger Tritt in
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