Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
Familien ab. Doch den wenigen Mutigen, die ihre Furcht besiegten und es wagten, öffentlich für mich Partei zu ergreifen, werde ich ewig von ganzem Herzen dankbar sein. Sie sind und bleiben meine Helden in diesem scheinbar aussichtlosen Kampf.
Es war der 25. November, und es ging mir nicht gut. Seit zwei Tagen hatte ich keinen Bissen zu mir genommen. Ich wog wohl nur noch knapp über vierzig Kilo und fühlte mich abstoßend, hässlich und nutzlos. Wenn ich in den Spiegel schaute, hätte ich am liebsten an meinen Haaren gerissen und mich angeschrien: „Du hässliches, verkommenes, wertloses Geschöpf!“ Ach, hätte ich doch nur weinen und mich aus meiner eigenen Haut befreien können. Ich wusste, dass ich etwas essen musste, doch das Essen blieb mir im Hals stecken. So sehr ich auch zu kauen versuchte, jeder Bissen ballte sich in meinem Mund zusammen und schien größer und größer zu werden, bis ich ihn wieder ausspucken musste. Ich muss stark sein für David. Diese Worte kreisten ständig in meinem Kopf, während mir mein ganzes Leben sinnlos und düster vorkam. Ich tastete mich mühsam vorwärts, konnte aber den Weg nicht finden. Ich versuchte mich aufzurappeln, doch jemand zog meine Beine weg. Ich versuchte zu sprechen, aber meine Stimme versagte mir den Dienst. Morgens wollte ich nicht aufstehen, sondern hätte am liebsten ewig weitergeschlafen.
„Raus aus dem Bett!“, rief Mona, die den Kopf zur Tür hereinstreckte.
„Heute bekommen wir hohen Besuch, also solltest du noch ein paar Sachen waschen, damit ihr anständig ausseht.“
Wie gut, dass es Mona gab, die alles im Griff hatte. Ich klappte das Schlafsofa zusammen und schaute mit David Kinderfernsehen. Doch wäre es mir nicht sowieso schon schlecht gegangen, dann hätte mir spätestens das lausige Kinderprogramm die Laune verdorben. Ich lockte David vom Fernseher weg, indem ich ihm sagte, er müsse mir helfen, die richtigen Tasten der Waschmaschine zu drücken.
Die damalige Justizministerin hatte ihren Besuch angekündigt, was bei der Beratungsstelle eine große Freude auslöste. Auch mich riss dieses Ereignis ein wenig aus meiner Lethargie, und so sah ich in gespannter Erwartung dem hohen Besuch entgegen. Alle halfen, den ausgezogenen Esstisch zu decken und das feine Porzellan abzustauben. Die edlen Kristallgläser, die auf der perfekt gebügelten Leinentischdecke in Reih und Glied standen, polierten wir auf Hochglanz. Es duftete so verführerisch nach frisch zubereitetem Essen und Gebäck, dass mein Magen knurrte. Die Stimmung war ausgelassen. Alle zupften an ihrer feinen Garderobe und scherzten miteinander, während die letzten Vorbereitungen getroffen wurden. Die langen brennenden Kerzen, die von hellgrünen Blumenkränzchen umgeben waren, tauchten den Raum in ein warmes Licht. Die Servietten hatten wir elegant gefaltet und in die funkelnden Kristallgläser gesteckt. Ich selbst hatte mich bemüht, eine halbwegs vorzeigbare Erscheinung abzugeben. Die Haare hatte ich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ich hatte mir ein wenig Mascara und Lippenstift geborgt, um meinem Gesicht ein frischeres Aussehen zu verleihen. Meine Wimpern sahen endlich wieder lang und schön aus. Ich betrachtete mich aus verschiedenen Winkeln und war zufrieden mit dem, was ich sah. Ich war hübsch. Schwieriger war es, etwas Passendes zum Anziehen zu finden. Ich wollte schließlich nicht auffallen, indem ich so aussah wie etwas, was die Katze ins Haus geschleppt hatte.
Es war mir wirklich viel daran gelegen, gegenüber unserer Justizministerin einen guten Eindruck zu machen. Die viel getragene, ehemals elegante schwarze Hose musste herhalten, obwohl sie ziemlich schlaff über den Hüften hing, ausgewaschen und von zahlreichen Fusseln bedeckt war, die ich hartnäckig mit einem Handrasierer entfernte. Dazu trug ich ein schlichtes moosgrünes Oberteil mit schmalem Kragen, das gut zu meinen braunen Haaren passte. David anzuziehen war ein Leichtes gewesen. Während einer meiner Spaziergänge durch Passau hatte ich in einen der Geschäfte Kinderkleidung im Angebot gesehen, und die Freude, David so etwas Schönes zum Anziehen kaufen zu können, war es mir allemal wert, für eine Weile von Nudeln und Knäckebrot zu leben.
Da standen wir nun also, David in seiner gebügelten dunkelblauen Hose und einem roten Pulli. Er sah sehr süß aus und ich war mir sicher, dass er der hübscheste Junge war, den die Justizministerin je zu Gesicht bekommen hatte.
Die Ministerin erwies sich
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