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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita R. Naumann
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meinen kleinen Jungen wiedersehen ...
    Plötzlich stieß Johannes hörbar die Luft aus und murmelte, dass der Wagen abgebogen sei. „Und ich dachte schon ...“ Doch, wenn jemand in diesem Moment einen Seufzer der Erleichterung ausstieß, dann war es ich. Mir war das Herz in die Hose gerutscht.
    „Wir sind gleich da“, sagte Johannes kurze Zeit später. „Denk dran. Wir müssen uns unauffällig bewegen und dürfen nicht die geringste Aufmerksamkeit erregen. Man weiß ja nie ...“ Mit diesen Worten drückte er das Gaspedal durch, sodass der Motor aufheulte.
    Plötzlich erschien der große Marktplatz vor meinen Augen. Johannes schaltete herunter, und ehe ich wusste, wie mir geschah, schlug er das Lenkrad ohne Vorwarnung hart nach links ein. Nun standen wir am Rande des Marktplatzes, allerdings nicht auf der Straße, sondern auf den Straßenbahnschienen. Vor uns zur Rechten warteten etwa fünfzig Leute auf die nächste Linie. Und hinter uns hörte ich plötzlich ein lautes Klingeln, und ich bemerkte, dass die Straßenbahn direkt auf uns zuschoss.
    Johannes saß ganz ruhig hinter dem Steuer, während ich im selben Moment Angelika und David auf dem Marktplatz erblickte. Die Straßenbahn klingelte unaufhörlich. Die Passanten strömten zusammen und winkten erregt in unsere Richtung.
    Plötzlich sprang Johannes aus dem Wagen und hielt ein neonfarbenes Schild in die Höhe, auf dem „POLIZEI“ stand.
    Er schwenkte es wie wahnsinnig hin und her, während ihm die Leute Flüche und Beschimpfungen an den Kopf warfen. Er ließ mich allein im Auto sitzen und spurtete mit gezogener Waffe über den Platz. Ich sah, wie er sich die Lederjacke vom Leib riss, sodass sein Pistolenhalfter sichtbar wurde. Dann schützte er mit der Jacke Davids Kopf und gab Angelika ein Zeichen, ihm zu folgen. Mit David unter dem Arm rannte er im Zickzack zu unserem Auto zurück, als wäre er unter Beschuss und würde versuchen, den Kugeln auszuwei chen. Er sah sich kurz um, ehe er die Autotür aufriss und mir David in den Schoß warf. Und in der nächsten Sekunde verließen wir den Marktplatz genauso schnell, wie wir gekommen waren, während die Straßenbahn immer noch klingelte und die ungläubige Menge hinter uns her gaffte.

    Fünfzehntes Kapitel

    Weihnachten näherte sich mit großen Schritten. David und ich waren gerade in unsere neue Wohnung eingezogen. Um Weihnachtsschmuck hatte ich mich nicht gekümmert, weil wir Weihnachten bei Angelika feiern wollten. Trotzdem versuchte ich es uns mit den wenigen Gegenständen und Möbeln, die wir dem Vormieter abgekauft hatten, so gemütlich wie möglich zu machen. Außerdem war mein Vermieter so nett gewesen, uns ein kleines Tischchen für den Eingangsbereich und etwas Kleinkram umsonst zu überlassen. Mithilfe des dürftigen Startbetrags des Sozialamts hatte ich mir das Allernotwendigste angeschafft. Angelika hatte mir sehr mit der Einrichtung geholfen. Von dem Geld, das ich von Mamas Darlehen übrig behalten hatte, kaufte ich mir ein paar schöne Lampen, Vorhänge und Pflanzen.
    Meine Situation war unverändert. Aus München hatte ich nichts gehört, dort war es still wie ein Grab. Die Morddrohung wurde nach wie vor aufrechterhalten. Ich sprach täglich mit Johannes. Für gewöhnlich kam er auf eine Tasse Kaffee vorbei und brachte oft Gebäck mit. Im Scherz sagte er, dass er sich immer gut um seine Frauen kümmere, und das tat er auch wirklich. Wenn ich irgendwo hinwollte, musste ich ihn nur anrufen. Auch auf Angelika war Verlass. Wann immer sie konnte, kam sie vorbei und nahm mir David ab, damit ich ein bisschen Zeit für mich selbst hatte, ein Bad nehmen, waschen oder einkaufen konnte.
    Bei den Nachbarn auf meiner Etage handelte es sich um ein fröhliches, temperamentvolles Paar in meinem Alter. Sie wohnten mir gegenüber, und ich war ihnen ein paar Mal zufällig im Treppenhaus begegnet. Eines späten Abends klopfte es an meiner Tür. Es dauerte bestimmt zehn Minuten, ehe ich es überhaupt wagte, vorsichtig in den Flur zu spähen.
    Die Polizei hatte mich angewiesen, stets alle Lichter zu löschen, wenn ich unerwarteten Besuch bekam. Denn falls drinnen Licht brannte, während ich durch den Spion guckte, würde ich ohnehin nichts erkennen. Und falls ich unvorsichtigerweise öffnete, ohne mich zu vergewissern, wer draußen stand, konnte ein möglicher Killer in dem Moment einen tödlichen Schuss durch die Tür abgeben. Ich war also gezwungen, die Lichter auszuschalten, mein Alarmtelefon und den

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