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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marita R. Naumann
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Gelächter, wollte Johannes kommen und mich abholen. Wir wollten zu meiner neuen Wohnung fahren, die Sicherheitsmaßnahmen durchgehen und über den bevorstehenden Sorgerechtsprozess sprechen, der nach Weihnachten stattfinden sollte. Angelika hatte einen Tag Urlaub genommen und wollte mir einen kinderfreien Tag ermöglichen.
    Sie hatte geplant, mit David zu einem Einkaufszentrum zu fahren, um Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Danach wollten wir uns in der Stadt treffen. Ich setzte meine blonde Perücke auf und blickte in den Spiegel. Ich sah furchtbar aus. Doch die Perücke war teuer gewesen, und Johannes bestand darauf, dass ich sie trug. Natürlich hatte er recht.
    Wenn ich mir diese Kreation über den Kopf zog, hatte ich wirklich das Gefühl, eine andere Identität anzunehmen. Unter der Perücke konnte ich mich verstecken und fühlte mich so sicher mit ihr, dass ich es auch wagte, mich neben Johannes auf den Vordersitz seines zivilen Polizeiautos zu setzen.
    Wir fuhren nach Garching. Die Wohnung erschien mir in diesem Moment nicht mehr ganz so solide und gemütlich, wie ich sie in Erinnerung hatte. Doch im Laufe der Zeit würde ich ihr schon meinen Stempel aufdrücken. Es war mir gelungen, das Sozialamt zu überzeugen, mir die Miete zu bezahlen. Darüber hinaus stellten sie mir eine monatliche Summe zur Verfügung, mit deren Hilfe ich mit Mühe und Not meinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Vermutlich hatte ich es auch Johannes zu verdanken, dass die mürrische, knauserige Sachbearbeiterin das Geld herausgerückt hatte. Bevor wir David abholten, fuhren wir noch beim Sozialamt vorbei, um herauszufinden, welcher Startbetrag mir bewilligt wurde, um ein neues Leben anzufangen. Johannes blieb im Auto, während ich meine Perücke zurechtrückte und mit raschen Schritten das Gebäude betrat.
    „Was sagen Sie da?“, fragte ich die Mitarbeiterin schockiert.
    „Sie bekommen das, was alle anderen Frauen in Ihrer Situation auch bekommen“, wiederholte sie schroff. „Dafür gibt es Grundlagen und Gesetze.“
    „Glauben Sie etwa“, fragte ich mit tränenerstickter Stimme, „dass ich mit solch einer Summe in der Lage bin, für mich und meinen Sohn ein neues Leben aufzubauen?“
    „Das ist nicht mein Problem“, antwortete sie kühl, ehe sie sich wieder den Unterlagen auf ihrem Schreibtisch zuwandte.
    „Aber ich brauche Möbel und viele andere Dinge“, versuchte ich zu widersprechen.

    Die Frau sah mich eine Weile an, dann sagte sie, jetzt etwas freundlicher:
    „Gut, Sie bekommen eine Küche und Schlafgelegenheiten für Ihren Sohn.“
    „Danke“, sagte ich leise. Es war besser als nichts. Als ich ging, dachte ich darüber nach, was ich alles benötigte. Teller, Gläser, Besteck, einen Topf, eine Bratpfanne, Handtücher, Lampen, ein Schneidebrett, eine Auflaufform, eine Kelle, einen Pfannenwender, einen Schemel, auf dem David stehen konnte, wenn er sich die Zähne putzte, ein Töpfchen, Vorhänge, Bettwäsche, einen Käsehobel ...
    Von den Dingen, mit denen man sich ein schönes Zuhause schaffen konnte, ganz zu schweigen: Fernseher, Sofa, Couchtisch, Bilder, Spielsachen, Spiegel, Gitterbett. Doch wie ich es auch drehte und wendete, das Geld würde vorne und hinten nicht reichen.
    Als ich wieder zu Johannes ins Auto stieg, sah er sofort, dass etwas passiert war.
    „Ich kann nicht mehr“, sagte ich mit brüchiger Stimme. „Diese eiskalten, arroganten Paragrafenreiter! Ich hoffe, dass sie von ihrem hohen Ross fallen und sich den Hals brechen!“ Ich begann zu weinen.
    Johannes beugte sich zu mir und nahm mich väterlich in den Arm. Ich schluchzte und wischte mir die Nase an meiner verdammten Perücke ab, die mir halb über die Augen gerutscht war.
    „Johannes“, sagte ich, „wie soll ich meinem Sohn denn nur irgendwas zu Weihnachten schenken?“
    Wie waren auf dem Weg ins Zentrum, als mir auffiel, dass Johannes in regelmäßigen Abständen in den Rückspiegel schaute. Dann justierte er die Seitenspiegel und schluckte mehrmals.
    „Wir werden möglicherweise von einem Auto verfolgt“, sagte er heiser.
    „Ich bin nicht ganz sicher, aber der Typ fährt schon eine ganze Weile hinter uns her.“
    Ich schloss die Augen und schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel: Lieber Gott, bitte rette mich, und ich verspreche dir, dass ich nie wieder Dummheiten machen werde. Ich verspreche, dass ich jeden Sonntag in die Kirche gehen werde und fortan eine gute Christin sein will. Bitte lass mich mit heiler Haut davonkommen und

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