Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
könnten, weil sie Johannes nicht für einen Kollegen, sondern einen übergeschnappten Autodieb hielten. Doch wurde mir auch klar, wie ernst Johannes seine Arbeit nahm und dass er wirklich alles dafür tat, mich zu beschützen.
Bis Ende des Jahres tauchte ich bei Angelika und ihrer Familie unter. Sie kümmerte sich um uns, als wäre ich ihre eigene Tochter und David ihr Enkelkind. Er liebte sie und genoss jede Sekunde, die er in ihrem liebevollen Heim verbrachte. Angelika brachte ihm bei, Grießbrei zu essen, ohne sich die Lippen zu verbrennen. David wartete immer ungeduldig, wenn Andreas und Rainer zu Besuch kommen wollten, um mit ihnen herumzutoben und im Bett eine Kissenschlacht zu veranstalten. Es war die ruhigste und entspannendes Zeit, die ich seit Jahren verbracht hatte. Die Morddrohung, die wie ein Damoklesschwert über mir hing, schien auf einmal in weite Feme gerückt zu sein.
Ich hatte täglichen Kontakt zu Johannes, Mona und meiner Mutter. Mona hatte sowohl eine neue Festnetz- als auch eine neue Handynummer bekommen, da ihre Familie mehrfach Drohanrufe in der Nacht erhalten hatte. Ich machte mir nur Sorgen um Ari, denn nach längerem Nachdenken kam mir die Sache mit der Dienstreise komisch vor.
Ich hoffte, dass es auch im kriminellen Milieu Leute gab, die genug Zivilcourage hatten, um sich auf meine Seite zu schlagen, statt ihre Hände für fünfzigtausend Euro mit dem Blut einer Unschuldigen zu besudeln.
Was mich ein wenig freute, war die Tatsache, dass es selbst unter den Ganoven offenbar mehr Wohlwollen mir gegenüber gab als unter den Polizisten.
Doch wie meine geliebte Mona immer sagte: „Man muss auf das Recht und die Gesetze vertrauen und darf sich keinesfalls in eine Grauzone begeben.“ Doch war ich wirklich auf der sicheren Seite, wenn ich mich darauf verließ, was der Staat und Menschen wie Mona ermöglichte? Wäre ich heute immer noch am Leben, wenn ich das getan hätte? Ich weiß nicht, was passiert wäre, hätte die chinesische Frau eines ehemaligen Motorradrockers diesen nicht gebeten, seine schützende Hand über uns zu halten, sodass David und ich uns nicht mehr länger zu verstecken brauchten. Ich empfinde noch heute eine große Dankbarkeit gegenüber allen, die mir auf unterschiedlichste Weise beistanden und es mir ermöglichten, wieder nach Hause zu kommen.
Es war ein sonniger Morgen im Dezember. Der Schnee auf den Reihenhausdächern glitzerte und leuchtete in allen Farben des Regenbogens. Angelika hatte die Kerzen des Adventsleuchters angesteckt. Der Geruch nach getrocknetem Moos und frisch gekochtem Milchreis weckte nostalgische Gefühle in mir. Wir saßen zu dritt am Tisch und sprachen über das bevorstehende Weihnachtsfest. Angelika erzählte lachend, dass David gestern im Supermarkt ein Paar Kinderskier gesehen hatte, die er unbedingt haben wollte. Er hatte gebettelt und gebettelt, um sich schließlich heulend auf den Boden zu werfen. Wir begannen zu kichern, und ich sagte zu David, dessen Gesicht schon wieder ganz rot war vor Zorn, dass ich dem Weihnachtsmann ja vielleicht noch einen Tipp geben könnte, wenn er ganz brav sei.
Angelika beugte sich zu mir und sagte, dass es dieses Jahr sicher kein Problem sein würde, etwas Schönes für David zu finden.
Mein Weihnachtsgeschenk war die Wohnung. Dank des Darlehens, das meine Mutter aufgenommen und auf das Konto des Vermieters eingezahlt hatte, waren wir in der Lage gewesen, meinem Vermieter zwei Monatsmieten im Voraus sowie eine bestimmte Summe als Ablöse für die Möbel zu bezahlen. Der Vertrag galt ab dem 1. Dezember, und Angelika hatte vor zwei Wochen die Wohnungsschlüssel für mich abgeholt. Doch war ich noch viel zu ängstlich, um meine neue Familie wieder zu verlassen. Schon der Gedanke, allein zum Einkaufen zu gehen, versetzte mich in Panik.
Bevor ich einzog, sollte meine Wohnung auch noch technisch aufgerüstet werden. Ich bekam verschiedene Alarmtelefone und Notfallsender sowie eine geheime Telefonnummer, die so geheim war, dass nicht einmal die Telekom davon Kenntnis hatte. Sie existierte einfach nicht und war daher auch nicht aufzuspüren. Johannes hatte hart darum gekämpft, dass mir diese Sicherheitsmaßnahmen bewilligt wurden. Er berichtete, dass geheime Telefonnummern extrem selten vergeben würden. Außer mir und ihm selbst, der gegen die Verbrecher ausgesagt hatte, kenne er derzeit niemanden, der eine besitze.
An diesem wunderschönen Dienstagmorgen, nach einem Frühstück mit Milchreis und viel
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