Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
Glanz verloren, und meine kleinen, traurigen Brüste hingen schlaff an meinem knochigen Brustkorb herunter. Dorle dagegen ...
„Du musst mir unbedingt Tipps geben, wie man die Ringe unter den Augen wegbekommt und sich zurechtmacht“, bat ich.
„Aber klar. Ich zeig dir all die Tipps, um schön auszusehen.“
Mein Besuch blieb für mehrere Tage. Es war die schönste Zeit, die ich seit meiner Flucht erlebt hatte. David liebte es, mit seinen Großeltern zusammen zu sein. Er saß ununterbrochen bei einem von ihnen auf dem Schoß, spielte mit ihnen, half beim Kochen und Backen oder ließ sich Geschichten vorlesen. Wir blieben die ganze Zeit über in der Wohnung und genossen das Beisammensein. Dorles Anwesenheit tat mir gut und mit ihren komischen Einfällen brachte sie mich immer wieder zum Lachen. Ich bin ruhiger und introvertierter als sie, und wenn sie mir von ihren Tourneeabenteuern erzählte, blieb mir der Mund offen stehen.
Am letzten Tag war Gabriel in der Küche und bereitete mein Lieblingsessen, ein chinesisches Reisgericht, zu. Ich hatte ihn gebeten, eine große Portion zu machen, damit ich mir den Rest einfrieren konnte. Nach dem Kaffeetrinken wollten meine Eltern und Dorle zurückfahren. Als wir mit dem Essen fertig waren, flüsterte Dorle mir zu, ich solle ins Schlafzimmer mitkommen und die Tür schließen.
„Natürlich hab ich längst rausgekriegt, wo du dich versteckst, Luisa. Ich werde deiner Mutter nichts davon sagen, aber wenn du willst, kann ich heimlich wiederkommen und dich besuchen.“
„Würdest du das wirklich tun? Das kann für uns beide aber ziemlich gefährlich sein.“
„Ich werde es so machen, dass niemand etwas mitbekommt.“
Ich kratzte mich nachdenklich am Kopf, ehe ich sagte: „Oh, Dorle, das wäre echt super!“
Sie verließen unser Zuhause während David und ich auf dem Balkon standen und ihnen zuwinkten.
Die Zeit verging wie im Flug, und allmählich wurde es wärmer. David und ich machten jetzt wieder lange Spaziergänge, unter anderem in den nahe gelegenen Park, wo ein kleiner Minizoo lag. Nach wie vor spielte David viel im Sandkasten, grub mit dem Bagger und stellte seine Spielzeugautos in lange Reihen. Ich müsste lügen, wenn ich behauptete, dass ich so scharf darauf war, ständig Sandkuchen zu probieren, doch mit ihm schaukeln und Vögel füttern konnte ich stundenlang. Mein geliebter kleiner Junge wurde immer größer und blühte spürbar auf. Er war jetzt meistens fröhlich und aufgekratzt und nicht mehr so still und in sich gekehrt wie früher. Man merkte ihm an, dass er glücklich war. Dorle kam in regelmäßigen Abständen zu uns und ich genoss in dieser Zeit jeden einzelnen Tag. Was ich nicht wissen konnte, war, dass wir schon bald wieder aus unserem ruhigen Dasein gerissen würden und ein weiteres Mal überstürzt unsere Sachen packen und fliehen mussten.
Es war an einem der ersten schönen Frühlingstage, an dem die Vögel zwitscherten und man spürte, dass der Winter nun endgültig auf dem Rückzug war. David und ich hatten die Straßenbahn in die Stadt genommen. David saß in seinem Wagen und quengelte, dass er seine Jacke ausziehen wolle.
„Nein, David, das geht nicht“, sagte ich. „Die Sonne scheint zwar, doch im Schatten ist es noch zu kalt. Dann erkältest du dich und bekommst Ohrenschmerzen, und du weißt doch, wie weh das tut. Also hör jetzt bitte auf, zu jammern.“
Wir spazierten die Straßen entlang. Wir wollten in die Bibliothek, denn unsere Bücher waren inzwischen so zerfleddert, dass sich schon die Seiten lösten.
„Jetzt hör auf zu quengeln!“, wiederholte ich verärgert. „Du kannst ja gleich deine Jacke und deine Mütze ausziehen, aber jetzt noch nicht!“
Ich war so sehr mit David beschäftigt, dass ich das Auto nicht bemerkte, das sich uns von der Seite näherte und jetzt das Tempo drosselte. Doch irgendwie musste ich dennoch gespürt haben, dass wir beobachtet wurden. Meine Nackenhaare stellten sich auf, und ich wagte nicht, den Kopf zu drehen. Ich ließ eine Hand in die Tasche gleiten, um den Notruf auszulösen. Meine andere Hand tastete im Netz des Kinderwagens, konnte aber das Alarmtelefon nicht finden. Ich flüsterte David zu, dass er ganz ruhig sein solle, und spürte Panik und Verzweiflung in mir aufsteigen. Langsam hob ich den Kopf, und was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern stocken. Mein Blick begegnete den kalten Augen dreier Männer, die in einem roten Auto saßen. Ich erkannte sie sofort wieder, es waren
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