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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
Autoren: Marita R. Naumann
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versprochen, sich um die Fische zu kümmern. Sie werden den Fischen jeden Tag etwas zu essen geben und mit ihnen reden. Wenn wir zurückkommen, gehen wir in eine Tierhandlung, und dann darfst du dir noch einen Fisch aussuchen, okay?“
    Der kleine David antwortete nicht sofort, sondern lächelte nur vergnügt und streichelte das weiche Fell seines Kuscheltiers.
    „Mm ... Mama ... Fisch bekommt Freund. David Mama ganz lieb hat.“
    Im Wohnheim in Moosach wurden wir von Lena begrüßt, einer fröhlichen und energischen Frau Mitte dreißig. Lena hatte früher als Lehrerin gearbeitet. Mehr brauchten David und ich über unsere neue Bleibe nicht zu wissen. Es kam mir so vor, als hätten wir das Wohnheim erst gestern verlassen. Lena berichtete uns, dass sie seit Kurzem die Leitung von Ilka übernommen habe, was mir einen Stich gab. Ohne unsere liebe Ilka würde es hier richtig leer sein, doch glücklicherweise lebte sie immer noch in Moosach, sodass wir sie jederzeit zu Hause besuchen konnten.
    Es war in Moosach, als ich mein letztes Telefonat mit Mona hatte.
    „Hallo, Luisa, hier ist Mona. Ich wollte dir nur sagen, dass ich alles dafür tue, dich irgendwo in einem anderen Bundesland unterzubringen. Meinst du, dass Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern etwas für dich und David sein könnten? Ich werde Lena alle notwendigen Unterlagen schicken. Ich kann dir in Zukunft leider nicht mehr helfen, weil ich einen neuen Job übernehme. Es tut mir sehr leid, Luisa. Ich weiß, dass du nur eine Handvoll Freunde hast, die dich unterstützen. Aber ich werde in Zukunft keine Möglichkeit mehr haben, mit dir in Kontakt zu treten. Ich wünsche dir alles, alles Gute.“
    Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Mona vom stellvertretenden Leiter ihres Dezernats angezeigt worden und zum Gegenstand interner Ermittlungen geworden war. Sie hatte ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass sie Anrufe von der Polizei aus Garching und von mir bekommen habe. Doch ihr Vorgesetzter hatte sie angewiesen, sich stattdessen um die Hauptuntersuchung eines Kraftfahrzeugs zu kümmern. Mona war trotzdem der Meinung, dass es in diesem Moment wichtiger war, Ermittlungen einzuleiten, wer die drei Männer in dem roten Auto gewesen waren, die mich beobachtet hatten. Wegen dieser eigenmächtigen Entscheidung wurde ihr ein Dienstversäumnis vorgeworfen, ein Vorwurf, der erst später fallen gelassen wurde.
    Es war in dieser Zeit, als mein Leben eine neue, drastische und gefährliche Richtung einschlug. Von allen schmalen, riskanten Wegen entschied ich mich ausgerechnet für die steilsten, gefahrvollsten Serpentinen, die unmittelbar am Abgrund entlangführten. Viele schüttelten den Kopf und warnten mich, als ich diese Wanderung begann. Man riet mir, auf dem sicheren Weg zu bleiben, doch der sichere Weg war für mich gleichbedeutend mit Einsamkeit und Selbstverleugnung. Ich entschied mich dafür, allen Gefahren zu trotzen, meine Angst zu überwinden und die Rüstung eines Kriegers anzulegen, um meinem Feind gegenüberzutreten. Es war ein schmaler Weg, auf dem ich diejenigen begegnen sollte, die ich am meisten fürchtete.
    Doch wenn ich meine Angst überwand, das wusste ich, dann würde ich auch die Chance bekommen, die Kontrolle über mein Leben zurückzugewinnen.
    In vielen schlaflosen Nächten sagte ich mir immer wieder, dass mich nicht die geringste Schuld traf. Ich war das Opfer und nicht diejenige, die in Gefangenschaft leben sollte. Ich hatte es nicht verdient, fliehen und mich verstecken zu müssen. Ich hatte es nicht verdient, meine Liebsten zurückzulassen, um mit meinem Sohn von einem Zufluchtsort zum anderen zu ziehen. Es war nicht gerecht, dass derjenige, der mich misshandelt hatte, immer noch auf seinem Thron saß und dafür verehrt wurde, dass er mich davongejagt hatte. Er durfte nicht gewinnen! Was mich damals antrieb, war reine Verzweiflung, die man auch als eine Form des Irrsinns betrachten konnte. Ein Irrsinn jedoch, der mich schließlich nach Hause führen sollte, zu neuer Liebe und neuer Sicherheit.
    Ich stand in Moosach vor dem Spiegel, demselben Spiegel, vor dem ich schon so oft gestanden hatte. Vor diesem Spiegel hätte ich mir damals am liebsten die Haare ausgerissen, weil ich das hasste, was ich sah. „Pfui, bist du hässlich!“, hatte ich geschrien. „Du bist wirklich dass Allerletzte. Knochig, ausgetrocknet und nutzlos. Nicht mal als Sexpuppe bist du noch zu gebrauchen!“ Jetzt stand ich wieder vor diesem Spiegel und nahm mir fest vor, mich
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