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Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)

Titel: Wenn die Seele nicht mehr leiden kann - Gewalt in der Ehe (German Edition)
Autoren: Marita R. Naumann
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davonlaufen, sondern musste ruhig sitzen bleiben. Ich musste den Fingern ausweichen, die sich um meinen Hals schließen wollten, und musste aufpassen, dass ich nicht zu Boden gerissen wurde. Jetzt war der Moment gekommen, in dem ich meine Furcht überwinden musste. Ich sagte mir immer wieder, dass ich stark sei.
    Mati sah mich an. Unsere Blicke trafen sich, und ich fühlte mich sofort schwach. Fast hatte ich das Gefühl, als würde sämtliches Leben aus mir he raus sickern. Ich biss die Zähne noch härter zusammen und flüsterte vor mich hin: „Ich bin nicht mehr in deiner Gewalt, Mati! Deine Gegenwart macht mir keine Angst! Ich besitze Würde und Stärke! Du hast keine Macht mehr über mich!“
    „Hallo, ihr drei“, sagte er mit einem Grinsen. Ich versuchte, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Drückte er Hohn oder Bosheit aus? Wollte er seine Macht demonstrieren? Doch ich konnte nichts in seinem Gesicht lesen und wurde sogleich von Panik ergriffen.
    „Hallo, Mati“, entgegnete ich kaum hörbar.
    „David, du bist aber groß geworden! Weißt du noch, wer ich bin? Ich bin dein Papa.“
    „Bist du ein Räuber, Papa?“, fragte David naiv.
    „Ja, sagen wir mal, ich war es.“ Dann begrüßte Mati seinen jüngeren Bruder.
    „Hallo, Ari. Wie geht es dir?“
    „Danke gut, wie du siehst“, entgegnete Ari kalt.

    Ich warf Mati einen verstohlenen Blick zu. Obwohl er vorher schon ein Muskelpaket war, sah er jetzt aus, als würde er jeden Moment platzen. Seine Arme waren von Tätowierungen bedeckt. Ein Stacheldraht ringelte sich um seinen Oberarm. Außerdem erkannte ich einen großen Löwenkopf und wo früher eine nackte Frau war, war jetzt eine Pistole, Geldscheine sowie eine Rasierklinge mit der Aufschrift „No pain, no gain“ - es war eine eine Mischung aus alten und neuen Tätowierungen. Um den Hals trug er eine Goldkette, die so schwer aussah, dass ich vermutlich Schwierigkeiten gehabt hätte, sie hochzuheben. An der Kette hing ein goldenes Kreuz, das so groß war wie ein Kruzifix in der Kirche. Er sah imposant aus, noch viel größer, als ich ihn in Erinnerung hatte. An den Seiten waren seine Haare millimeterkurz geschnitten, während sie mitten auf dem Kopf steil aufragten. Er war blass, trug ein dunkelblaues Unterhemd und eine schwarze Trainingshose. In eine andere Hose hätte er vermutlich nicht hineingepasst.
    David klammerte sich an meinen Hals. Ich spürte, wie sein Körper sich verhärtete.
    „Er kennt dich nicht mehr, Mati. Du musst ihm ein bisschen Zeit geben. Er ist natürlich im Moment sehr auf mich fixiert. Du bist ja auch ein bisschen ... gewachsen, seit er dich das letzte Mal gesehen hat.“ Ich hörte selbst, wie dumm sich das anhörte, und biss mir auf die Lippen.
    „Spielst du schon Fußball, Junge?“, fragte Mati.
    „Ja, ein bisschen“, sagte ich statt David.
    „Seid ihr ein Paar?“, sagte Mati, indem er sich seinem Bruder zuwandte.
    „Noch nicht“, erwiderte Ari kalt. „Aber was nicht ist, kann ja noch werden.“
    „Zieh deine Killer von uns ab, Mati“, sagte ich einen Moment später.

    „Ich will wieder nach Hause kommen. Wir wissen doch beide, wie die Situation gewesen ist ... aber wenn du mich in Frieden lässt, wie du es Papa Albert versprochen hast, dann will ich alles dafür tun, dass du zu David eine normale Beziehung aufbauen kannst.“
    „Ich habe dir nie etwas Böses gewollt!“
    „Bitte lass das dumme Gerede! Wenn mir etwas passiert, ist doch völlig klar, wer dafür die Verantwortung trägt. Ich will, dass wir David zuliebe eine Lösung finden. Es geht mir nur um ihn.“
    „Mir geht es auch nur um ihn“, sagte Mati.
    „Übrigens, unser Hund Rocky ist im Tierheim. Es wäre schön, wenn du ihn dort rausholst.“
    „Ja, das werde ich gerne tun.“ Mati sagte mir in welchem Tierheim der Hund war und ich schrieb mir die Adresse auf.
    „Ich habe mich verändert“, sagte Mati. „Ich habe begriffen, was wirklich im Leben zählt.“
    Doch ich glaubte ihm nicht, ich war nicht mehr so naiv wie früher.
    „Ich werde meinen Freunden draußen sagen, dass sie euch in Ruhe lassen sollen. Noch heute werde ich die Mitteilung veranlassen“, fuhr er fort.
    „Nimm das ernst, was du sagst, Mati“, sagte Ari abschließend. „Wenn du nicht tust, was du uns jetzt versprichst, kann es schlecht für dich ausgehen.“
    Die beiden Brüder sahen sich an.
    „Ich lasse Luisa und David in Ruhe, wenn du die Finger von Luisa lässt. Luisa war meine Frau und wir haben einen gemeinsamen
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