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Wenn Die Seele Verletzt Ist

Wenn Die Seele Verletzt Ist

Titel: Wenn Die Seele Verletzt Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sautter
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werden. So bleibt eine ungebührliche Machtausübung von Erwachsenen über ein Kind oft verborgen, da das Kind nichts anderes kennt, später eine Verdrängung der schmerzlichen Erfahrungen stattfindet und zudem eine große Scham besteht, diese Eltern, die man braucht und lieben möchte, als Aggressoren zu entlarven.“
    Ohne alle esoterische Vereinigungen über einen Kamm scheren zu wollen, ist doch bei bestimmten Gruppierungen Vorsicht geboten, vor allem aber bei denen, die sich wie eine Sekte organisieren. Immer wieder berichten Klienten, die sich von der Mutter oder dem Vater ihres Kindes getrennt haben, wirkliche Horrorgeschichten aus diesem Umfeld. Meist geht es darum, daß sie ihre Kinder nicht sehen dürfen, weil der Guru des Elternteils, bei dem die Kinder leben, festgestellt habe, sie seien mit dem Teufel oder einem bösen Dämon im Bund. Die betroffenen Kinder müssen sich gegen Vater oder Mutter entscheiden und leben in einem schrecklichen Dilemma. Dazu ein Beispiel aus eigener Praxis:
     
    Eine Frau, Angehörige einer esoterischen Sekte, die sich von ihrem Mann und Vater ihrer Kinder getrennt hatte, suchte mich mit ihrer sechsjährigen Tochter auf, die unter Angstzuständen litt. Außerdem verweigerte das Kind jeden Kontakt zum Vater, was sie begrüßte, das Jugendamt jedoch forderte. Ich bekam den Auftrag, mich um die Angstzustände der Tochter zu kümmern. Nach einigen Wochen, in denen ich mit dem Kind gespielt hatte, malte sie ein Bild, das sie zusammen mit ihrem Vater zeigt. Sie spielt mit ihm ihr Lieblingsspiel, und auf verschiedenen Tischen und Regalen stehen Schüsseln mit leckeren Speisen. Eigentlich sei es beim Papa sehr schön, vertraute sie mir an. Dann trat die Mutter heran. Das Kind verwandelte sich von einer Sekunde auf die andere, sah haßerfüllt auf das Blatt, zerriß esund schrie: „Das Schwein, der Scheißkerl, ich will nie wieder etwas mit dem Teufel zu tun haben!“
    Am nächsten Tag rief mich die Mutter an und berichtete, sie habe sich eingehend mit ihrem Medium beraten. Der Exmann sei, wie sie der Tochter schon immer gesagt habe, tatsächlich ein Teufel, vor dem sich das Kind in acht nehmen müsse, um Schlimmeres zu verhindern. Kurz darauf brach sie die Therapie ab.
     
     
    Körperliche Mißhandlung
     
    Unter körperlicher Mißhandlung versteht man „Schläge oder andere gewaltsame Handlungen (Stöße, Schütteln, Verbrennungen, Stiche usw.), die beim Kind zu Verletzungen führen können“ (Engfer in Egle, S. 27). Da nur ein Bruchteil der Kindesmißhandlungen angezeigt wird, kann man nicht wirklich sagen, wie häufig sie in Deutschland vorkommen. Die Statistik der Kriminalpolizei spricht von 2000 Fällen pro Jahr; das ist sicherlich zu tief gegriffen. Sozialwissenschaftliche Studien sprechen dagegen davon, daß die Hälfte bis zwei Drittel aller Eltern ihre Kinder schlügen, bei 10 – 15% der Eltern könne man von Mißhandlung sprechen (ebd. s. 27). Wenn wir uns über solche Zahlen wundern, sollten wir die generelle Rechtfertigung der Prügelstrafe durch die christlichen Kirchen nicht vergessen. Familien hielten sich Jahrhunderte lang an das Buch Sirach, in dem der Wahlspruch der Kindererziehung zu lesen ist: „Wer seinen Sohn liebt, hält den Stock für ihn bereit, damit er später Freude erleben kann“ (30, 1-2).
    Im allgemeinen kann man sagen, daß sogenannte „schwierige“ Kinder, die bei Eltern aufwachsen, die sich aus sozialen und/oder psychischen Gründen überfordert fühlen, ein erhöhtes Risiko haben, mißhandelt zu werden. Eltern, die nur mit Mühe für den Lebensunterhalt der Familie aufkommen können oder süchtig sind, haben weniger „Nerven“ für solch ein Kind mit Schlaf- oder Eßproblemen und sind eher bereit, ihre Wünsche mit Hilfe körperlicher Züchtigungen durchzusetzen. Ein interessanter Versuch mit verschiedenen Fotos von schreienden und lächelnden Säuglingen zeigte,daß mißhandelnde Eltern selbst bei lächelnden Kindern deutlich mehr Aversionen zeigten als die Kontrollgruppe (Frodi & Lamb, 1980 in Egle, S. 78).
    Die wenigsten Eltern mißhandeln ihre Kinder aus Überzeugung. Meist kommt es durch das Verhalten des „schwierigen“ Kindes und die Überforderung der Eltern zu einem Teufelskreis der Eskalation. Die Eltern reagieren auf das Kind mit Spannung und Aggressivität und es kommt zu Strafhandlungen, die die Beziehung weiter belasten. Die Eltern fühlen sich schuldig, sehen aber keine Möglichkeit, den Vorfall mit dem Kind zu klären.

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