Wenn die Wahrheit nicht ruht
umhören!’“
„Bücher? Was für Bücher? Wanderführer? Bildbände?“
„Ich weiss es nicht. Das Problem ist die Tatsache, dass dieser F etzen Papier offenbar bei den versteckten Unterlagen meines Vaters gelegen haben muss. Das scheint mir irgendwie seltsam. Andererseits weiss ich nicht, ob ich nicht langsam anfange, mir Dinge wichtig zu reden, die nichts zu bedeuten haben. Das ganze Unterfangen ist doch irgendwie irrwitzig. Meine Mutter hat mir er zählt, was damals geschehen ist. D as war doch eigentlich alles, was ich wissen wollte. Damit sollte ich die Angelegenheit vielleicht einfach auf sich beruhen lassen.“
„Nein. Ich glaube, du musst herausfinden, soviel du kannst. Schliesslich gibt es einen kleinen Haken in deiner eben gemachten Ausführung. Dein Vater wurde aus dem Nichts heraus angefahren und niemand will den Schuldigen gesehen haben. Wo du schon mal hier bist , solltest du der Sache soweit wie möglich auf den Grund gehen , auch wenn nur wenig Aussicht auf Erfolg besteht. “
„Ja, genau, und wo ich schon mal hier bin, könnte ich mich auch gleich daran machen, den Job zu erledigen, für den ich ang e stellt wurde! Das würde ich dir übrigens auch empfehlen.“ Lachend stupste Leonie Angela an, die sich seufzend von der Bar wegstiess. „ Dann geh ich mal öffnen.“
„Tu das.“ Leonie wandte sich wieder ihrer Zeitung zu, diesmal, um sie wegzuräumen. Da blieb ihr Blick erneut an dem Artikel hängen. „In eurem Dorf war ja mächtig was los, wenn ich das so lese.“
Angela stellte sich wieder zu Leonie, nachdem sie die Tür geöffnet hatte , und sah deren Augen auf der Zeitung ruhen. „Ja , nicht wahr? Timo hatte sich nach dieser Lektüre daran erinnert, was sein Grossvater ihm einmal erzählt hatte. Offenbar waren vor längerer Zeit mal ein paar Menschen verschwunden. Übrig geblieben waren nur zwei verlassene Ehefrau en und ein Wohnzimmer voller Blut. Natürlich spekulieren nun die Grächner hinter vorgehaltener Hand, dass das die dazugehörigen Leichen zu den damaligen Ereignissen sind, vor allem, weil man ja Stichwunden gefunden haben will. Die Gerüchteküche brodelt, aber ich tendiere eher dazu, zu warten, bis die Untersuchungen abgeschlossen und die Toten identifiziert sind, bevor ich mich auf das Gerede einlasse.“
„ Eine ziemlich bewegte Vergangenheit für ein verschlafenes Bergdorf. “
„Das kann man sagen. Ich war damals noch klein, aber nachdem Timo mit seiner Geschichte meinem Gedächtnis auf die Sprünge geholfen hatte, regten sich ebenfalls einige Erinnerungen. Mit der Zeit wurden die Geschichten immer weiter ausgebaut, die Spekulationen immer düsterer und der Horrorfaktor immer grösser, weshalb sie nach und nach zu Legenden verkamen . I rgendwann flaute dann aber das Interesse ab, vor allem, als in den folgenden Jahre nichts mehr V ergleichbares geschah. “
„Du warst damals schon auf der Welt? Ich dachte, das läge viel weiter zurück! Wann sind denn diese Leute verschwunden?“
„ Lies den Artikel zu Ende, dort steht’s drin.“
„Würde ich gerne, aber ich werde andauernd unterbrochen!“
Wie zur Bestätigung flog die Tür auf und eine Gruppe singender und leicht angeheiterter Gäste , nach wie vor mit den Skischuhen an den Füssen, traten polternd ein . Angelas Antwort drang nur noch gedämpft an Leonies Ohr, traf sie aber dennoch wie ein Schlag ins Gesicht. „ In der Zeitung steht was von 1986. “
„ ’ 86?“ Weiter kam Leonie nicht, da war die Bar auch schon von erhitzten Gesichtern bevölkert, die ihre Aufmerksamkeit vollständig in Beschlag nahmen.
Sören hatte alles mitangehört. Spontan entschloss er, das vereinbarte Treffen mit Leonie nicht wahrzunehmen, was ihr angesichts der vielen Gäste nichts weiter ausmachen dürfte. Leise wandte er sich ab und verliess die Bar unbemerkt durch den Hinterausgang.
1986
Dicht lag der Nebel , in dessen Schutz die schattenhafte Gestalt nun durch das Gelände huschte. Wissend, im Geräteschuppen alles Notwendige zu finden , da sie es zuvor dort deponiert hatte, machte sie sich so leise wie irgend möglich an der alten Holztür zu schaffen. Sie gab anfangs keinen Millimeter nach, dann plötzlich fiel sie knarrend auf. Einen kurzen Moment innehaltend sah sich der Mörder um und lauschte in die Nacht hinein. Niemand schien etwas gehört zu haben, d enn es regte sich nichts. Kein W under, dachte er boshaft, die einzigen die etwas hätten hören können, lagen in ihrem eigenen Blut im
Weitere Kostenlose Bücher