Wenn die Wahrheit nicht ruht
„Übrigens, ich bin Heinz.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, stellte er ein Glas mit einer goldenen Flüssigkeit auf dem tiefen Salontisch ab. „Der Tee ist auch gleich fertig.“ Damit verschwand Heinz wieder und überliess die beiden erneut dem Feuer.
„Ich denke, du bist mir eine Erklärung schuldig.“
Leonie schnaubte und rappelte sich ein wenig auf, um nach dem Glas zu greifen. Sie nahm einen tiefen Zug und verzog gleich darauf das Gesicht. „Boah, was ist das denn?“
Sebastian musste trotz der Ernsthaftigkeit der Situation lächeln. „Vaters S elbstgebrannter.“
„Ach. Und was ist da drin?“
„Alkohol. Alles weitere weiss nur er selbst.“
Nachdenklich starrte Leonie auf den Inhalt ihres Glases . „ Ich habe nach meinem Telefon gegriffen und für einen kurzen Augenblick nicht auf die Strasse geschaut. Als ich dann wieder aufsah, stand jemand direkt vor mir reglos auf dem Weg. Ich habe mich erschrocken und wollte ausweichen. Da verlor ich die Kontrolle und landete im Strassengraben. Dann bin ich gelaufen und dann hat mich einer angesprungen.“ Sie sah direkt in Sebastians Gesicht. „ Die Tat selbst ist bereits unfassbar und angsteinflössend genug. Aber was der Typ gesagt hat, erschreckt mich beinahe noch mehr.“
„ Der Angreifer hat gesprochen?“
„ Sinngemäss sagte er , ich würde dasselbe Schicksal wie mein Vater erleiden, denn auch ich wisse nicht, wann ich aufh ö ren sollte, herumzuschnüffeln .“
Sebastian jagte ein kalter Schauer über den Rücken . „ Das würde ja bedeuten…“
„…dass mein Vater absichtlich angefahren wurde, ja. Und wenn ich mir das weiter überlege, ist er im Krankenhaus womöglich auch nicht einfach so gestorben. Ich konnte mich auf einmal düster daran erinnern, dass damals jemand in das Krankenzimmer gekommen ist. Er hatte einen Kittel an und daraus hatte er eine Spritze gezogen. Ich dachte damals es wäre ein Arzt. Ich habe das alles gesehen, aber er hat mich nicht gesehen. Ich hatte solche Angst, dass man mich wegholen würde, dass ich mich verkrochen hab e. “
„Leonie, das wäre Mord.“
„Genau. Und die Frage n lauten nun noch: Wer und w eshalb. “
„Der Angreifer hat etwas von H erumschnüffeln gesagt?“
Leonie nickte.
„Also war dein Vater etwas auf der Spur, das er aber nicht mehr aufdecken konnte und du scheinst nun auf derselben Fährte gelandet zu sein, was einige Leute nervös zu machen scheint. Ergo ist da noch genug, um auch dich als Bedrohung einzustufen, die es aus dem Weg zu räumen gilt.“
„Jetzt habe ich Kopfschmerzen.“
„Das glaub ich dir. Leonie, wir müssen die Polizei verständigen .“
„Nein! Noch nicht. Ich habe noch zuwenig Informationen .“
„Na, es geht. Du hast Würgemale am Hals.“
„Ja, aber wenn ich Anzeige gegen meinen Angreifer erstatte, wird die Polizei Nachforschungen anstellen und das ganze Dorf aufscheuchen. Sie werden sich ohne richtige Beweise kaum darum kümmern, was ich zu sagen habe und was wir ahnen. In der Zeit könnten die Verbrecher dann die letzten Beweise verschwinden lassen, die es ja noch geben muss, sonst hätte man mich kaum angegriffen, und damit wäre auch meine Chance darauf, zu erfahr en, was geschehen ist, ruiniert.“
Sebastians Gesichtsausdruck liess keine Rückschlüsse auf seine Gedanken zu. „Wir reden morgen weiter. Schlaf jetzt erst einmal.“ Damit stand er auf und verliess das Wohnzimmer. Leonie meinte zu aufgewühlt zu sein, um schlafen zu können, sie wurde aber eines Besseren belehrt. Kaum war Sebastian aus dem Raum gegangen, wurden ihre Augenli der derart schwer, dass sie nicht mehr fähig war, sie offen zu halten. Innert kürzester Zeit war sie fest eingeschlafen.
„ Wie geht es ihr?“ Heinz stand an der Kochinsel der grosszügigen Küche und füllte getrocknete Kräuter in ein Teesieb, welches er dann in einen Krug legte und mit kochendem Wasser übergoss.
„Schwer zu sagen. Sie wirkt ziemlich abgeklärt, aber ich schätze, sie ist ganz schön aufgewühlt. Sie hält nichts davon, die Polizei einzuschalten.“ Seufzend steckte Sebastian das Mobiltelefon weg, das er nach dem Anruf in der Bar, um sich und Leonie für die heutige Schicht abzumelden, noch immer in der Hand hielt.
„ Und das hältst du für falsch?“
„Nicht direkt. Ihre Begründung klingt durchaus plausibel und ich kann dafür ein gewisses Mass an Verständnis aufbringen. Aber gleichzeitig denke ich, es ist unklug weiter im Alleingang in dieser Sache herumzuwühlen.
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