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Wenn die Wahrheit nicht ruht

Wenn die Wahrheit nicht ruht

Titel: Wenn die Wahrheit nicht ruht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Berger
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Wer weiss, was noch geschehen wird.“
    „Du sorgst dich ganz schön um sie, nicht wahr?“
    „Natürlich. Es geschieht nicht jeden Tag, dass ich jemanden auffinde, der beinah erwürgt worden wäre.“
    Heinz füllte zwei Tassen mit dem dampfenden Kräutermix und reichte Sebastian eine davon. Dann lehnte er sich an die Küchenkombination und während er vorsichtig einen Schluck trank, musterte er seinen Sohn nachdenklich. Er wollte behutsam vorgehen, aber es fiel i h m beim besten Willen keine taugliche Umschreibung ein für das , was er vorhin beobachtet hatte und dafür, was er seinem Sohn diesbezüglich mitgeben wollte. Also hoffte er, der direkte Weg würde ihn nicht geradewegs in eine meterhohe Gefühlsblockade manövrieren. „Sie ist nicht Julia.“
    „Wie bitte?“ Die Frage war ehe r eine Floskel. Sebastian hatte sehr wohl verstanden. „Was willst du damit sagen?“
    „Julia hatte ein Zuhause. Nach dem, was ich über Leonie gehört habe, hat si e keine festen Wurzeln. Sobald sie aber ein Heim gefunden hat, wird sie auch bleiben.“
    Der innere Kampf, den Sebastian ausfocht, zeichnete sich deutlich dadurch ab, dass er auf der Innenseite seiner Wange herumzukauen begann. Schliesslich sagte er: „Sie gehört nicht hierher. Beide gehörten nicht hierher, also wird auch sie wieder gehen. Und ich werde sie nicht aufhalten.“ Um seinen Entschluss noch zu unterstreichen, nickte er bekräftigend und wünschte seinem Vater eine gute Nac ht, bevor er dem Raum und damit auch dem darin G esprochenen den Rücken kehrte.
     
     

198 6
     
    Wie frisch gewaschen erstrahlte die Natur im Glanz des neuen Morgens. Die Luft war kühl und frisch, am Himmel trübte kein W ölkchen das Strahlen der Sonne.
    Strotzend vor Energie und Vorfreude trat Ambros auf den Balkon des kleinen Zimmers, das er sich angemietet hatte, reckte die Arme weit in die Höhe und atmete tief den Geruch des Winters ein. Dann kehrte er in das Zimmer zurück und sammelte sein weniges Hab und Gut, das ihm nach seiner Verhaftung noch geblieben war, zusammen . Nach drei Monaten Abwesenheit, war es an der Zeit, dem Versteckspiel ein Ende zu setzen. Daher machte er sich nun, mit geläuterter Seele auf, das Vertrauen des Dorfes zurückzuerobern, welches er so fahrlässig aufs Spiel gesetzt hatte. Oder so ähnlich.
     
    Das Postauto stand bereits an der Haltestelle und Ambros musste sich beeilen, um es noch zu erwischen. Als es sich dann in Bewegung setzte und die sperrige Masse sich Kurve für Kurve den Berg hinauf schob, stellte sich bei Ambros ein aufge regtes Kribbeln ein, das ihm das ruhige Sitzen beinahe verunmöglichte. Ein wenig kam er sich vor wie der kleine Junge vorne im Postauto, der mit leuchtenden Augen auf seinen Grossvater, wie Ambros annahm, ohne Punkt und Komm a einredete. Als der Chauffeur dann auch noch das Horn betätigte und so die alte Postautom elodie über das Tal klingen liess , stiess der Kleine ein en Freudenschrei aus , der die wenigen anderen Passagiere des Busses zum G rinsen brachte .
    Obwohl Ambros eigentlich im Dorfzentrum hatte aussteigen wollen, entschied er sich dann doch für ein e Station in Niedergrächen . Zu Fuss nahm er den restlichen Weg in Angriff und mit jedem Schritt wurde es ihm unbehaglicher zu Mute.
    Er erreichte den Postplatz, konnte aber kein bekanntes Gesicht ausmachen. Also ging er weiter in Richtung seiner alten Wohnung. Doch auf halbem Weg hielt er inne. Er besann sich kurz und entschied sich schliesslich für einen Umweg. Nur kurz nachschauen, wie es einem ‚alten Freund’ so geht, das war alles, rechtfertigte Amb ros seine Idee vor sich selbst.
    Dann stellte er erfreut fest, dass es immer lauter wurde, je näher er seinem Ziel kam. Gut so, dachte er. Er wollte sich unter so viele Menschen wie möglich mischen und in freudiger Erregung abwarten, wie lange er unbemerkt bleiben konnte.
    Eine ganze Traube Menschen stand vor dem Eingang des alte h rwürdigen Chalets, glotzte und tuschelte entweder hinter vorgehaltener Hand oder ganz offen, ohne sich um die Lautstärke zu scheren. Je mehr es hörten, desto besser. Das Volk wurde von Absperrband und einigen Uniformierten dahinter davon abgehalten, noch weiter vorzurücken .
    Niemand schien bemerkt zu haben, dass s ich ein Ex-Häftling unter die Menge mischte, also wagte Ambros mit klopfendem Herzen, den ihm am nächsten S tehenden anzusprechen.
    „Was ist hier los?“
    Der riesige Mann mit dem beachtlichen Bauchumfang fixierte weiter den Eingang des Hauses

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