Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
Vom Netzwerk:
doch reicher sein als - na ja, ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass er sich Sorgen um Hypothekenzahlungen oder die Stromrechnung machen muss, gelinde ausgedrückt.«
    »Das ist alles relativ«, erwiderte Melody und lächelte bitter. »Er muss sich durchaus Sorgen machen, ob er mit den Privatjets seiner Freunde mithalten kann. Aber meinem Vater geht es eigentlich gar nicht ums Geld. Es geht ihm um das, was er erreichen kann, um seinen Einfluss - darum, wie weit es der rotznäsige kleine Ivan Talbot gebracht hat, der sich aus einer Hochhaussiedlung in Newcastle nach oben geboxt hat.«
    Gemma starrte Melody ratlos an. Sie kam sich vor, als versuchte sie, zwei Negativaufnahmen übereinanderzulegen, die sich nicht ganz deckten. »Talbot ist ja kein so ungewöhnlicher Name. Ich hätte nie gedacht … Aber wieso heißt Ihr Vater eigentlich Ivan mit Vornamen?«
    »Meine Oma nahm in der Schule gerade russische Geschichte durch, als sie schwanger wurde. Sie war ein gescheites Mädchen, das ein gescheites Kind großzog, trotz der widrigen Umstände. Aber -« Melody beugte sich vor - »ich will gar nicht er sein. Ich will weder seinen Job noch seine Zeitung. Egal, was ich leistete, ich wäre nie etwas anderes als Ivans Tochter. Können Sie das verstehen?«
    Gemma dachte an ihren eigenen Vater, der ihre Entscheidungen grundsätzlich missbilligt hatte, und an seine bittere Enttäuschung darüber, dass sie nicht dem Bild entsprochen hatte, das er sich von ihr geformt hatte. Was würde er alles tun, um ihre Karriere zu torpedieren, wenn es in seiner Macht stünde?
    »Und außerdem«, fuhr Melody mit rauer Stimme fort, »habe ich nie etwas anderes gewollt, als Polizeiarbeit zu machen. Als junges Mädchen habe ich sämtliche Krimiserien im Fernsehen verschlungen und Bücher zum Thema ›Wie werde ich
Detektiv‹ … Vater dachte, wenn er mich auf die besten Schulen schickte und auf die Uni … dann würden mir die Flausen schon irgendwann vergehen, und ich würde lernen, ›normal‹ zu sein. Aber ich habe ihm den Gefallen nicht getan.«
    »Und wollen Sie mir etwa erzählen, dass Sie ernsthaft in Erwägung ziehen, ihm das durchgehen zu lassen? Das glaube ich einfach nicht.« Von dem unbändigen Wunsch, Ivan Talbot zu sagen, was sie von ihm hielt, brummte Gemma schier der Schädel. »Sie leisten hier hervorragende Arbeit, und ich will Sie nicht verlieren. Ich will nicht, dass die Polizei Sie verliert. Ich werde Ihre Kündigung nicht annehmen. Und Sie - Sie müssen in Zukunft sehr viel vorsichtiger sein. Keine Recherchen mehr im Zeitungsarchiv. Keine Bemerkungen gegenüber Ihrem Vater über irgendeinen Fall, ganz gleich, wie arglos sie gemeint sind. Sind wir uns da einig?«
    »Aber - aber wie können Sie mir je wieder vertrauen, nach dieser -«
    »Weil ich Sie kenne.« Und dessen war sie sich sicher, trotz Melodys Versteckspiel. »Was Ihr Vater macht, geht wirklich niemanden etwas an. Und es gibt nichts, was Sie mit dieser Story« - Gemma tippte auf die Zeitung - »in Verbindung bringen würde, außer Ihrem Wort und meinem. Und wir werden nicht mehr über dieses Thema sprechen. Mit niemandem.«
    Es trat eine lange Pause ein, in der Gemma und Melody einander ansahen; so lange, dass Gemma sich schon fragte, ob sie mit ihrem Urteil wirklich richtiggelegen hatte.
    Dann stand Melody auf und nickte ihr knapp zu. »Danke. Ich werde Sie nicht enttäuschen.« Ihr rundes Gesicht strahlte Entschlossenheit aus. »Und noch etwas kann ich Ihnen versprechen. Mein Vater wird dafür noch bezahlen, so oder so.«
     
    Der Rest des Freitags verstrich ohne besondere Ereignisse, doch Gemma dachte immer noch über ihr Gespräch mit Melody
nach, als sie am späten Samstagvormittag zu Betty Howard fuhr. Sie fragte sich, wie sehr das, was sie erfahren hatte, ihre Wahrnehmung von Melody beeinflussen würde. Schon jetzt konnte sie die Verbissenheit, mit der Melody Ermittlungen betrieb, besser verstehen, und auch ihre Zurückhaltung, was ihr Privatleben betraf. Und sosehr sie Melodys Wunsch, nach ihren eigenen Leistungen beurteilt zu werden, nachvollziehen konnte, hielt sie es doch für unwahrscheinlich, dass sie ihre Identität auf Dauer würde geheim halten können. Gemma hatte jedoch Wort gehalten und Duncan nichts gesagt, auch wenn sie dabei ein sehr ungutes Gefühl hatte. Sie wollte nicht, dass er für etwas büßen musste, was eigentlich ihre Schuld war. Sie hatte schließlich Melody in Lucas Ritchies Club mitgenommen und damit die Kette von

Weitere Kostenlose Bücher