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Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
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stickig vor.
    Sie stieg vorsichtig aus, kämpfte gegen das Schwindelgefühl an, das sie überkam, und nahm die Tasche mit Charlottes Sachen vom Rücksitz. Diesmal sah sie sich gründlich um, ehe sie sich ins Wageninnere bückte, aber davon wurde ihr nur noch schwindliger.
    Mit einem merkwürdigen Gefühl, als ob ihre Füße gar nicht
zu ihrem Körper gehörten, ging sie die wenigen Schritte zu Bettys Haus. Als sie durch die Tür trat und ins Treppenhaus hinaufspähte, kam ihr der Anstieg so gewaltig vor, als schickte sie sich an, den Everest zu erklimmen. Behutsam, Stufe für Stufe, stieg sie hinauf und hielt an jedem Absatz inne, bis das Pochen in ihrem Kopf sich beruhigt hatte.
    Und als sie endlich Bettys Wohnung erreicht hatte und Charlotte auf sie zugerannt kam, um von ihr in den Arm genommen zu werden, da hatte sie das Gefühl, dass sie diejenige war, die am dringendsten getröstet werden musste.
     
    Endlich hatten sie Charlotte dazu überreden können, von Gemma abzulassen und sich mit ihren Stiften an den kleinen Tisch in Bettys Küche zu setzen. Sie malte ernst und konzentriert, während Betty im Wohnzimmer entzückt die Kleider begutachtete, die Gemma mitgebracht hatte.
    »Ihre Mama war ja so gut zu ihr«, sagte Betty leise, während sie ein rosa Röckchen wieder zusammenfaltete. »Oh, ich meine nicht bloß die Kleider«, fügte sie hinzu. »Aber bei den Kleinen merkt man’s immer, ob sie geliebt wurden. Und ich glaube keine Sekunde, dass Charlottes Mama sie aus freien Stücken verlassen hat.« Sie legte ein säuberlich gefaltetes T-Shirt zu dem Rock. »Es sei denn, es war Alkohol im Spiel, oder Drogen.«
    »Auf jeden Fall nicht bei ihrer Mutter«, meinte Gemma, doch als Betty sie fragend ansah, setzte sie lediglich hinzu: »Das hätte ich inzwischen bestimmt mitbekommen, denke ich, wenn da irgendetwas gewesen wäre.«
    »Wird es ihr auch gutgehen, wenn sie zu ihrer Oma kommt?«, fragte Betty. »Ich mache mir schon Sorgen, und ich habe auch nichts mehr von der Sozialarbeiterin gehört.«
    »Ich weiß«, sagte Gemma. »Ich mache mir auch Sorgen.«
    Das Eingeständnis rief ihr die gehässigen Worte ihrer Schwester schlagartig ins Bewusstsein. War sie wirklich so egoistisch,
wie Cyn behauptete? Sollte sie mehr für ihre Mutter tun und weniger für Charlotte? Aber wie konnte sie nicht alles in ihrer Macht Stehende für dieses Kind tun, das sonst niemanden hatte, der es beschützte? Und hatte Cyn vielleicht auch recht mit ihrer Andeutung, dass sie Duncan vernachlässigte? Verlor er allmählich die Geduld mit ihr?
    »Gemma, Schätzchen, du bist ja meilenweit weg. Geht’s dir gut?« Betty musterte sie besorgt, und Gemma merkte, dass sie von dem, was Betty gesagt hatte, kein Wort verstanden hatte.
    »Es tut mir leid. Es ist nur -« Sie konnte unmöglich erklären, was das Problem war, schon gar nicht in Charlottes Gegenwart.
    »Schau mal, Gemma«, sagte Charlotte und hielt ein Blatt hoch. Darauf hatte sie Strichmännchen gezeichnet - die beiden größeren in Rot und Blau, das kleinere in Gelb. Sie waren ein wenig krakelig, aber dennoch als menschliche Wesen zu erkennen. »Das ist eine Mama und ein Papa und ein kleines Mädchen«, klärte Charlotte sie auf.
    Gemma studierte das Bild mit der Ernsthaftigkeit, die es verdiente. Sie sah Wolken und neben den Füßen des gelben Strichmännchens ein wurstförmiges Etwas mit Beinen. »Das ist ganz toll, Schätzchen. Das kleine Mädchen ist gelb. Das ist eine fröhliche Farbe. Und ist das da ihr Hund?«
    »Georgy«, sagte Charlotte. Das D in »Geordie« bekam sie noch nicht hin. »Ich will Georgy sehen.«
    »Vielleicht kannst du heute Nachmittag oder morgen ein bisschen zu uns kommen, wenn Tante Betty nichts dagegen hat.« Zu Betty sagte sie: »Die Jungs sind ganz vernarrt in sie. Und die Hunde auch«, fügte sie hinzu und rang sich ein Lächeln ab. »Bei Sid bin ich mir nicht ganz so sicher.«
    »Bleib doch noch und iss mit uns zu Mittag«, sagte Betty. »Ich hab einen großen Salat gemacht.«
    »Liebend gerne«, antwortete Gemma, obwohl ihr beim Gedanken ans Essen der Schweiß auf die Stirn trat. »Aber ich denke,
ich sollte jetzt aufbrechen. Toby hat ein Fußballspiel, und ich habe ihm versprochen, dass ich hinterher mit ihm in einen Laden für Künstlerbedarf gehe und ihm solche Stifte kaufe, wie Charlotte sie hat.« Sie stand auf und gab Betty einen Kuss auf die Wange. »Aber ich ruf dich an, und dann überlegen wir uns, wie wir es mit dem Besuch machen.«
    Sie

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