Wenn Die Wahrheit Stirbt
geschlüpft, ehe Duncan sie ins Bett zurückbeordert hatte. Als Kompromiss hatte sie die Kleider anbehalten, sich ein paar Kissen in den Rücken gestopft und nur eine dünne Decke über die Beine geworfen. Aber eigentlich musste sie sich eingestehen, dass sie noch ziemlich angeschlagen war, und sie war wieder eingenickt, als sie die Türklingel und Stimmen im Flur hörte.
»Melody ist da - wir sind dann mal weg!«, rief Duncan herauf, und kurz darauf trat Melody ins Schlafzimmer.
»Wow«, sagte sie. »Echt schön hier.« Gemma fiel ein, dass Melody noch nie hier oben gewesen war. Und sie konnte sich auch nicht erinnern, Melody jemals in so legeren Klamotten gesehen zu haben - sie trug Jeans und ein Oberteil aus bedruckter Baumwolle, ihre dunklen Haare waren zerzaust und ihre Wangen rosig von der Hitze und der Sonne. Selbst als sie im Frühjahr zu Gemmas Dinnerparty gekommen war, hatte sie
eine weiße Seidenbluse und eine schwarze Hose getragen, ein Outfit, das wie eine Verlängerung ihrer uniformartigen Dienstkleidung gewirkt hatte.
»Ja, nicht wahr?«, pflichtete Gemma ihr bei. »Ich kann mir jedenfalls unangenehmere Gefängnisse vorstellen.« Sie wies mit dem Kopf auf den niedrigen Sessel in der Ecke. »Setzen Sie sich doch bitte.« Plötzlich fühlte sie sich ein wenig unbehaglich in dieser doch recht intimen Situation mit einer Melody im Freizeitmodus, die so anders schien als die Frau, die sie zu kennen geglaubt hatte.
Aber Melody wirkte nicht im Mindesten befangen, als sie sich den Sessel näher ans Bett rückte und sich auf die Kante hockte. »Die Columbia Road war super«, sagte sie. »Ich hätte gern einen Garten. Oder wenigstens eine Terrasse oder einen Balkon mit Platz für Pflanzen.«
»Aber Sie hatten zu Hause doch bestimmt einen Garten.« Gemma, deren frühere Erfahrung mit Gärten sich auf ein handtuchgroßes Stück mageren Rasens vor dem Haus in Leyton beschränkte, in dem sie mit ihrem Exmann Rob gewohnt hatte, empfand immer noch einen gehörigen Respekt vor dem Garten hinter dem Haus in Notting Hill, den sie mit viel Hilfe von Duncan und den Jungs pflegte.
»Ich bin in einem Stadthaus in Kensington aufgewachsen. Mit Buchsbaum-Formschnitt. Meine Großeltern - die Eltern meiner Mutter - haben einen sehr formal angelegten Garten in Buckinghamshire, an den niemand außer dem Gärtner Hand anlegen darf, und meine Oma, also die Mutter meinesVaters, wohnt immer noch in ihrer städtischen Wohnung in Newcastle. Sie hat sich geweigert auszuziehen, sosehr Dad sie auch genötigt hat.« Melody grinste. »Als Kind wollte ich immer so werden wie sie.«
Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, und Gemma fragte sich, wie lange es her war, dass Melody sich zuletzt mit irgendeinem Menschen richtig ausgesprochen hatte.
»Ich will einen richtigen Urwald als Garten«, fügte Melody schmunzelnd hinzu, »und jetzt weiß ich, wo ich alles dafür bekommen kann. Nur das mit dem Garten selbst muss ich noch irgendwie hinkriegen.« Das Lächeln verflog. »Und ich muss mich entschuldigen«, sagte sie, »dass ich Sie noch nie zu mir eingeladen habe, wo Sie doch immer so nett zu mir gewesen sind, aber in meiner Wohnung gibt es wirklich nicht viel zu sehen.«
»Also, ich komme gerne vorbei, wann immer es Ihnen passt. Aber jetzt erzählen Sie mir erst mal von Roy. Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Ja. Zuerst war er ein bisschen misstrauisch, aber als ich ihm versichert habe, dass ich Sie kenne, und ihm erzählt habe, dass Sandras Brüder für den Überfall auf Azads Restaurant verantwortlich waren, da hat er getobt.
Er sagte, Sandra habe ihm nicht verraten, dass sie wusste, was sie getan hatten, aber er meint, an dem Sonntag, bevor sie verschwand, hätte er blaue Flecken an ihren Armen gesehen.«
Gemma setzte sich so ruckartig auf, dass ihr Kopf pochte. »Blaue Flecken? Und er hat mir nichts davon gesagt?«
»Ich habe die Daten überprüft. Das muss eine Woche nach dem Brandanschlag auf Azads Restaurant gewesen sein. Ich vermute mal, dass sie entweder vor ihr damit geprahlt haben oder dass sie es von jemand anderem gehört und ihre Brüder zur Rede gestellt hatte.«
»Verdammt«, sagte Gemma und sank in die Kissen zurück. »Damit hätten sie ein zweites Motiv gehabt, Sandra aus dem Weg räumen zu wollen. Vielleicht hat sie ihnen gedroht, sie wegen dieser Geschichte zu verpfeifen, und nicht wegen der Drogen. Oder zusätzlich zu den Drogen.«
»Werden Sie es Duncan erzählen?«
Gemma rieb sich den Kopf. »Ich weiß
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