Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wenn Die Wahrheit Stirbt

Titel: Wenn Die Wahrheit Stirbt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie , Andreas Jäger
Vom Netzwerk:
freundlich und gut aufeinander abgestimmt, und die Schlange rückte schnell vor. Gemma blieb gerade noch genug
Zeit, die funktionale Einrichtung und die riesigen Stahlöfen hinter der Theke in Augenschein zu nehmen, und die beiden Beamten des Royal Protection Command in voller Uniform, die vor ihr warteten, beide wahre Hünen, wie Disco-Türsteher auf Anabolika. Sie hätte erwartet, dass manche der gepiercten und tätowierten Gestalten, wie auch der offensichtlich obdachlose Mann auf dem Gehsteig, einen weiten Bogen um die zwei Polizisten machen würden, aber die einladende, fröhliche Atmosphäre von Beigel Bake schien alle Grenzen zu verwischen.
    Mit einem Becher Tee in der einen und einem Salt-Beef-Bagel mit Senf in der anderen Hand trat sie wieder auf die Straße und kaute im Gehen. Sie hatte das Gefühl, noch nie so etwas Köstliches gegessen zu haben.
    Mit ihrem Bagel war sie fast bis zur U-Bahn-Station Old Street beschäftigt, und als sie sich dem Eingang näherte, warf sie ihren leeren Styroporbecher in einen Abfalleimer. Dann blieb sie einen Moment stehen, um das Gemälde des Graffiti-Künstlers mit dem Pseudonym »Banksy« an der Außenwand eines Geschäftsgebäudes auf der anderen Seite des Old-Street-Kreisverkehrs zu betrachten. Sie wusste, dass es »Ozone’s Angel« genannt wurde und ein Tribut des Künstlers an einen Freund war, der von einem Zug überfahren worden war. Aber bis jetzt war ihr nicht bewusst gewesen, wie ergreifend die Darstellung dieses androgynen Kindes war, mit seinen Engelsflügeln, seiner schusssicheren Weste und dem Totenschädel, den es als Memento mori in der ausgestreckten Hand hielt.
    Sie musste plötzlich an Charlotte Malik denken, deren Eltern beide verschwunden waren, und ein Schauer überlief sie.
     
    Hazel kauerte in einer Ecke ihres mit Rosen bedruckten Sofas, die Arme fest um die Brust geschlungen, obwohl durch die offenen Fenster ihres Bungalows immer noch die warme Abendluft hereinwehte. Sie hatte sich nicht dazu aufraffen können, das
Licht einzuschalten oder etwas zu essen, obwohl sie wusste, dass sie beides tun sollte.
    Ihre Verärgerung darüber, dass Gemma sie in Naz Maliks Haus so offenkundig hatte loswerden wollen, hatte sie während der ersten Hälfte ihres Nachhausewegs beschäftigt. Dann war dieses Gefühl vom schwelenden Groll auf Tim überlagert worden, der den Kontakt mit einem alten Bekannten nur deswegen wiederaufgenommen hatte, weil dessen Frau ihn möglicherweise betrogen hatte.
    Doch als sie an ihrem Bungalow angekommen war - der für sie immer noch kein Zuhause war, ungeachtet der Begeisterung, die sie Gemma gegenüber an den Tag gelegt hatte -, war auch dieser Zorn erloschen. Hazels natürliche Fähigkeit zur Selbstanalyse, zusätzlich geschärft durch ihre Ausbildung, ließ sie ihre Wut klar als das erkennen, was sie war: eine Übertragung ihrer eigenen Schuldgefühle. Wie konnte sie Tim dafür verurteilen, dass er sich jemanden suchte, mit dem er seine Gefühle teilen konnte?
    Inzwischen war sie schockiert und mehr als nur ein bisschen angewidert von ihrem eigenen Verhalten an diesem Nachmittag. Eine traumatisierte Familie, ein kleines Kind, das unter der Situation litt - und anstatt sich nach Kräften zu kümmern, wie Gemma und Tim es getan hatten, war ihr nichts Besseres eingefallen, als die beiden anzugiften.
    Was für ein Mensch war sie nur geworden? Sie schien ihre Orientierung verloren zu haben und damit jegliches Vertrauen in ihre Fähigkeit, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie hatte sich erfolgreich eingeredet, dass es das Beste sei, nach London zurückzugehen, dass sie und Tim in Hollys Interesse ihre Differenzen beilegen könnten, aber nun geriet ihre Entschlossenheit ins Wanken.
    Hazel dachte an das Haus in Islington, stellte sich vor, wie Tim Holly und die kleine Charlotte ins Bett brachte, so wie
sie selbst früher Holly und Toby ins Bett gebracht hatte, und sie zitterte vor Sehnsucht. Es war ihr Zuhause, und sie hatte ihr Anrecht darauf verwirkt. Sie sah keinen Weg zurück. Die Verzweiflung stieg in ihr hoch, schwarz und bitter wie Galle.
    Eine Frauenstimme ertönte klar und deutlich hinter der Mauer ihres dunklen Gartens. Die Worte konnte sie nicht verstehen, doch der Tonfall war so vertraut, dass es ihr durch Mark und Bein ging. Die Frau rief ihr Kind vom Spielen herein.
     
    Er hörte das Plätschern von Wasser. Ein rhythmisch an- und abschwellendes Rauschen, wie die Regenwände, die über die Reisfelder seiner Kindheit

Weitere Kostenlose Bücher