Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat

Titel: Wenn die Zeit aber nun ein Loch hat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
Rand gefallen, richtig?«
    »Ja.«
    Blondel seufzte. »Und die anderen Schiffe hier müssen genau dasselbe gemacht haben, fürchte ich.
    Das beweist, daß wir in den Archiven sind.« Er dachte kurz darüber nach und fügte hinzu: »Schade drum.«
    Der Mann blickte ihm besorgt in die Augen. »Al-178
    so, wo sind wir nun? Ich meine, gibt es irgendeine Möglichkeit, hier wieder rauszukommen?«
    »Das weiß ich genausowenig wie Sie«, antwortete Blondel. »Ich bin hier auf einem ganz anderen Weg als Sie reingeraten, also haben wir vielleicht eine Chance.
    Womöglich aber auch nicht, das ist ja das Ärgerli-che an diesen Archiven. Niemand weiß Genaues dar-
    über, nur soviel: daß es sie gibt. Dessen sind sich jedenfalls alle sicher.«
    Die beiden Begleiter des Mannes, die das Boot ge-rudert hatten, wurden allmählich unruhig.
    »Aber ich will Ihnen keine Umstände bereiten.
    Vielleicht ist es Ihnen ja lieber, wenn ich mich wieder zurückziehe«, schlug Blondel vor.
    »Um Himmels willen, jetzt seien Sie doch nicht gleich eingeschnappt! Sagen Sie mir, wo wir sind, und hören Sie endlich auf, so ein dummes Zeug zu reden.«
    »Es könnte Ihnen aber nicht gefallen«, wandte Blondel ein.
    »Nun machen Sie schon.«
    »Also gut …«
    Wie schon zuvor erwähnt wurde, befindet sich die Geschichte in einem steten Wandel. Das liegt zum Teil an den Aktivitäten verantwortungsloser Zeitreisender; doch meistens handelt es sich um ganz normale Veränderungen.
    Nehmen wir zum Beispiel Blätter. Eine Zeitlang hängen sie an Bäumen, dann sterben sie ab, fallen 179
    herunter und liegen auf dem Boden herum. Wenn sie nicht zufällig von jemandem zusammengekehrt werden, verrotten sie zu einer festen Masse und bleiben dort liegen, bis sie von geologischen Schichten bedeckt werden und sich unter dem Druck zu Kohle verwandeln. Später jedoch werden sie zu Diamanten.
    Genauso wie die Erdformationen Fehler aufwei-sen, so ist es auch um die Geschichte bestellt; ganze Brocken davon werden zermalmt, deformiert oder landen an einer falschen Stelle. So wie einige Blätter zu Kohle und andere zu Diamanten werden, zerfallen auch nicht sämtliche historischen Ereignisse auf dieselbe Weise. Einige von ihnen werden fehlgeleitet –
    katastrophal fehlgeleitet – und können sich zu gegebener Zeit als äußerst instabil und sogar als gefährlich erweisen.
    In den Archiven werden jene Ereignisse gesammelt, die nicht hätten geschehen sollen, die aber trotzdem geschehen sind. Zwar ist es unmöglich, genaue Zahlen zu nennen, doch gehen neueste Schätzungen davon aus, daß sie mittlerweile mehr Platz im Raum-Zeit-Kontinuum beanspruchen als der konventionelle oder korrekte Verlauf der Weltgeschichte, und alljährlich nimmt die Anzahl gemeldeter undichter Stellen alarmierend zu, aus denen ausgeschlosse-nes Material aus den Archiven an die Oberfläche (wie die herkömmliche Weltgeschichte im theochro-nologischen Sprachgebrauch genannt wird) tritt. Bis zu einem gewissen Grad liegt das an der unverantwortlichen und völlig ungesetzlichen Ausbeutung der 180
    Bodenschätze der Archive durch piratenhaft vorge-hende Firmen der chemischen Industrie die meisten Gebiete der Archivzeit entstanden lange vor der kommerziellen Nutzung fossiler Brennstoffe, und deshalb gibt es dort unten enorme unangetastete Öl-, Kohle- und Erdgasvorkommen, aber natürlich ist es ungeheuer gefährlich sie an die Oberfläche zu befördern –, und die Machtbefugnisse der Zeitwächter waren erst kürzlich extrem erweitert worden, um das illegale Treiben besser bekämpfen zu können. Doch unglücklicherweise waren ihre Bemühungen bislang völlig fehlgeschlagen, und die Schlußfolgerung ihres letzten Berichts – ›Ob es wirklich möglich ist, diese Gefahr auszurotten, muß sich noch herausstellen –
    war allgemein als wenig hilfreich kritisiert worden.
    »Sie nehmen mich auf den Arm«, sagte der Mann.
    »Ich habe mir gleich gedacht, daß es Ihnen nicht gefallen wird«, antwortete Blondel. »Aber mal etwas anderes, warum hat Ihre Besatzung dieses Lied gesungen?«
    »Welches Lied?«
    » L’Amours Dont Sui Epris .«
    »Ach, heißt das wirklich so?« staunte der Mann.
    »Na, ich nehme an, weil es ein schönes Lied ist und alle den Text kennen. Und wenn man sich auf einem Schiff befindet, dessen gesamte Besatzung kurz vor der totalen Panik steht, halte ich es immer für das beste, etwas zu singen, und zwar furchtbar laut sogar.
    Aber hören Sie, ist das jetzt wichtig?«
    181
    »Richard Löwenherz

Weitere Kostenlose Bücher