Wenn du denkst, du hast mich schon
Megan den Gang zum Altar hinauf zugeleiten.
Travis’ Bruder, Zack, fungierte als Trauzeuge. Die Kanes hatten bei den vielen Vorbereitungen in den vergangenen Monaten fleißig mitgeholfen.
Es war naiv von ihr und Travis gewesen, zu glauben, sie könnten in drei Wochen heiraten.
Mittlerweile war es Ende Juni, also fast schon drei Monate nach ihrer Verlobung. Nur zweimal war er in der Zeit nach Hause gekommen, aber beide Male hatte er mit ihr und Butch notwendige Reparaturen in Angriff genommen.
Auch hatte er inzwischen zwei Hilfskräfte eingestellt, die bei ihnen wohnten, so dass für diese neben der Scheune eine Baracke gebaut werden musste.
Die zusätzliche Hilfe war für sie und Butch ein Segen. Mittlerweile war die Windmühle repariert, und sie hatte mit ihren Schwestern zusammen die neue Fassadenfarbe fürs Haus und die Veranda ausgesucht.
Jeder wusste, dass Travis für die Verbesserungen bezahlte, aber keiner sagte etwas dazu.
Die Leute im Ort und die direkten Nachbarn schienen erfreut, dass die O’Brien-Schwestern endlich Hilfe bekommen hatten.
Da alle anderen die Situation akzeptierten, versuchte Megan, sich nicht zu sehr gegen die Veränderungen zu sträuben. Travis hatte ihr versichert, dass er ihr nicht die Bewirtschaftung der Ranch abnehmen würde. Von Anfang an hatte er den neu eingestellten Hilfskräften klargemacht, dass sie Megans Anweisungen zu befolgen hatten, was sie ein wenig besänftigte.
Als er beim zweitenmal plötzlich mit dem Arm in der Schlinge und drei angeknacksten Rippen wiederkam, befiel sie eine nie gekannte Furcht - Furcht um Travis’ Sicherheit.
Gestern war er jedoch rechtzeitig zur Generalprobe in der Kirche erschienen, hatte gesund und munter ausgesehen, sich von sämtlichen Freunden necken lassen und dabei noch gelacht.
Einige gratulierten ihm, dass er rechtzeitig nach Hause gekommen war ohne irgendwelche Verletzungen.
Megan hatte ihn heute noch nicht gesehen. Mollie und Maribeth hatten sie und ihr Hochzeitskleid heimlich in die Kirche gebracht, bevor alle anderen eintrafen. Sie hatten sich alle drei hier umgezogen.
Erneut klopfte es an der Tür. „Megan?”
Das war Frank Kane.
Maribeth eilte hin und öffnete ihm.
„Es wird Zeit”, sagte er und musterte eine nach der anderen. „Also, ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt eine so entzückende Gruppe junger Damen in einem Raum gesehen habe. Ihr seht wirklich umwerfend aus.”
Sie hörten den Organisten bereits das Präludium spielen.
Hastig kniete Mollie sich hin und ordnete Megans Schleppe. Als sie sich aufrichtete, wischte sie sich schnell noch ein paar Tränen aus den Augen. Schweigend umarmte sie Megan, verließ den Raum und winkte Maribeth, ihr zu folgen.
Frank bot Megan seinen Arm und tätschelte ihr die Hand. „S icher weißt du schon, dass du meinen Sohn heute zu einem sehr glücklichen Mann machst.”
Sie schluckte. „Ich hoffe es.”
Er lächelte. „Der Junge ist schon seit Jahren in dich verschossen. Ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet, dass er endlich die Initiative ergreift.”
Diese Bemerkung verwirrte Megan im ersten Moment. Doch dann fiel ihr ein, dass Travis ihr gesagt hatte, alle sollten glauben, es sei eine Liebesheirat. Natürlich wusste sie nicht, was er seiner Familie erzählt hatte, um sie von dieser Liebe zu überzeugen.
Die Musik war eben kurz verstummt, und jetzt schritt Maribeth zu einer neuen Melodie schon vor ihr den Gang hinunter. Wie Frank vorhin bemerkt hatte, wurde es wirklich Zeit.
Megan war es durchaus recht. Je eher sie vor den Altar trat, um so eher war es auch vorbei. In eleganten Kleidern und zarten Schleiern fühlte sie sich nun mal nicht wohl. Lieber hätte sie Jeans und Stiefel getragen.
Sie hatte schon den halben Weg hinter sich, als sie Travis neben seinem Bruder stehen sah.
Beide trugen schwarze Anzüge im Western-Look, keine Smokings oder Rüschenhemden.
Was die Männer betraf, durften die Frauen sich ruhig herausputzen, aber sie selbst tauschten ihre geliebten Jeans allenfalls gegen einen dieser Anzüge.
In all den Jahren, die Megan Travis kannte, hatte sie ihn nie anders als in Jeans gesehen. In dem schwarzen Anzug und den blankpolierten schwarzen Stiefeln, die unter den Hosenbeinen hervorguckten, sah er einfach blendend aus. Das weiße Hemd, zu dem er eine schmale Krawatte trug, betonte seine Bräune.
Im ersten Moment vergaß Megan, Luft zu holen. Hier stand der Mann, den sie heiraten wollte und den fast jede Frau in der Umgebung
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