Wenn du mich brauchst
ein echter Hingucker. Steinern, wuchtig und von einer verwitterten Aura vergangenen Wohlstandes umhüllt.
Das diesjährige Prom -Motto lautete Wir alle sind Amerika!, ein praktisches Motto, weil es uns viel Freiheit ließ.
Die alte Turnhalle war in dieser Nacht Festhalle und das Schmücken hatte mehr als eine Woche in Anspruch genommen. Es gab ein eigenes Komitee für die Dekoration, genauso wie es ein Büfett-Komitee und ein Musik-Komitee gegeben hatte.
»Also los, amüsieren wir uns zu Tode«, murmelte Moon, als Gershon seinen Wagen geparkt hatte und Kendra und ich vorsichtig ausgestiegen waren, um unsere Kleider, Schleifen und Blumen nicht in Unordnung zu bringen.
Der Weg zur Festhalle war mit bunten Lichterketten erleuchtet. Wir liefen zu viert nebeneinander. Kendra und ich innen, Gershon und Moon außen.
»Hier geht’s zu den Erinnerungsfotos«, rief uns Ms Morgan-Stull aufgeregt zur Begrüßung zu und wedelte mit den Armen.
Ich lächelte Kendra an.
»Euer Forever-together-Foto …« , flüsterte ich ihr zu, in Erinnerung an unser Gespräch über die Ballbilder ihrer Eltern und Großeltern, die sich allesamt – nach dem Foto – ehetechnisch etabliert hatten.
Kendra lachte leise, fast so wie Moon. »Ja, schließlich hat er Fred berührt – jetzt ist er mir verpflichtet«, flüsterte sie zurück.
»Ich habe Ohren wie ein Luchs, ihr zwei«, sagte Moon streng. »Und ich werde – außer Cindy Sherman nimmt mich – niemals heiraten. Ich will nicht enden wie Leek und Rosie. – Wie heißt es doch gleich: In der Ehe scheitert man an Problemen, die man nie gehabt hätte, wenn man alleine geblieben wäre.«
Cindy Sherman ist eine dezent durchgeknallte Fotografin, die in New York lebt. Moon verehrt sie und ihre Bilder sehr.
»Auf, ihr zwei«, rief der gemietete Fotograf Gershon und mir zu. »Wir haben nicht ewig Zeit. Stellt euch unter den Rosenbogen an die Klebelinie.«
Er nickte Gershon zu. »Leg den linken Arm um sie. Und nimm mit der rechten Hand ihre Hand. Und jetzt – in die Kamera sehen, bitte – und lächeln!« Er leierte seine Anweisungen in einem Tonfall herunter, dass nicht zu überhören war, dass er sie schon zigmal an diesem Abend erteilt hatte.
»Wie am Fließband. Verrückte, altbackene, amerikanische Highschoolpaarungsdekadenz«, sagte Moon grinsend. Er und Kendra standen in der Warteschlange gleich hinter uns.
»Ein erhebender Moment, was, Jude?«, rief in diesem Moment plötzlich Owen Budny, ein kräftiger, grobschlächtiger Kerl, der mir in meinem ersten Highschooljahr mal eine Valentinskarte zugesteckt hatte. You’re so sweet, Honey! hatte in seiner Krakelschrift darauf gestanden. Ich hatte mich schon damals geschüttelt und die Karte so schnell wie möglich vernichtet.
»Halt besser den Mund, Rassist«, rief Moon ärgerlich. Gershon war zusammengezuckt, genau wie ich. Der Fotograf hatte anscheinend nichts mitbekommen, jedenfalls ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Du bist so ein Schwachkopf, Owen Budney«, sagte ich, als Gershon und ich schließlich zur Seite traten, um Kendra und Moon unter den Rosenbogen und an die grellgelbe Klebelinie zu lassen.
»Habe ich mit dir geredet, du Paradiesvogel?«, fragte Owen zurück und grinste breit. »Nein, das habe ich nicht. Ich habe, wenn ich mich nicht irre, mit dem Juden da geredet.«
Er betrachtete Gershon abfällig.
»Es tut mir leid«, sagte ich leise zu ihm, als wir weitergingen.
»Mach dir nichts draus«, antwortete Gershon achselzuckend. »So was kommt immer mal wieder vor. Es gibt über sechshunderttausend jüdische Leute in LA, aber die Idioten sind eben trotzdem zahlenmäßig in der Überzahl. Ich bin so was gewohnt, Sky. Es ist einer der Gründe, warum mich meine Eltern auf eine rein jüdische Schule geschickt haben. – Sie erleben immer mal wieder Ähnliches. Es ist – Alltag für uns.« Er lächelte aufmunternd. »Jetzt lass den Kopf nicht hängen. Ich überlege schon die ganze Zeit, wie ich es dir sagen soll, dass du das hübscheste Mädchen in diesem ganzen Affentheater bist.«
»Jetzt hast du es gesagt. Danke, Gershon, auch wenn das natürlich nicht stimmt.« Ich lächelte zurück und versuchte, mich zu entspannen.
Als Begrüßungszeremonie wurden wir paarweise und unter Applaus auf die Bühne gerufen.
Als Gershon und ich nach vorne traten, passierte es wieder.
»Seit wann feiern an unserer Schule Judenärsche die Prom mit?«, rief jemand aus dem Publikum. Und es war diesmal nicht Owen Budneys Stimme,
Weitere Kostenlose Bücher