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Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Titel: Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tara Hudson
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über meine Haut kroch. Ich spürte heißen Zorn in mir aufsteigen, als könnte ich vor Wut erröten. Hastig stand ich auf.
    » Du kannst mich sehen, aber ich kann dich nicht sehen. Findest du das nicht ein wenig unhöflich?«, versetzte ich herausfordernd.
    Er lachte auf eine Weise, die nicht gerade dazu beitrug, meine Gänsehaut zu verscheuchen. » Oh, in dem Punkt könnte ich wohl Abhilfe schaffen, wenn du möchtest.«
    Die Äste der Bäume direkt vor mir regten sich, da etwas hinter ihnen hervorkam. Wer auch immer der Sprecher sein mochte, er bewegte sich mit Bedacht, möglicherweise, um mich zu beruhigen und davon abzuhalten, Reißaus zu nehmen. Das war keine allzu wirksame Taktik, denn ich spürte, wie meine Muskeln fluchtbereit zuckten.
    Bevor ich mich jedoch entscheiden konnte wegzulaufen, trat der Besitzer der Stimme aus dem düsteren Wald in das bisschen Sonnenlicht, das noch über dem Ufer lag.
    Ich wusste sofort, dass er kein lebendiges Wesen war, obwohl ich mir zuerst nicht sicher war, warum. Während ich ihn mit offenem Mund anstarrte – noch etwas, was er wahrscheinlich unhöflich fand –, registrierte ich sämtliche Einzelheiten seiner Erscheinung. Er sah etwa so alt wie ich aus, oder vielleicht ein paar Jahre älter, doch er trug seltsame, wilde Kleidung: ein aufgeknöpftes schwarzes Hemd, dessen hochgekrempelte Ärmel metallene Handschellen an seinen beiden Handgelenken sehen ließen, eine unmöglich enge Jeans, die ihm tief auf den Hüften hing, und etliche Ketten, die über seiner bloßen Brust verknotet waren. Unter dem aschblonden Haar, das ihm in unordentlichen Locken auf die Schultern fiel, sah er schrecklich bleich aus. Als hätte ihm jemand die ganze Farbe aus dem Gesicht geschrubbt.
    Trotz seiner Blässe war er wohl als gut aussehend zu bezeichnen. Ja, sogar sexy.
    Es war die Art, wie sich seine Haut gegen die Dunkelheit abhob, die seine Zugehörigkeit zum Jenseits verriet. Seine Haut war zu hell, zu unberührt von dem schwindenden Sonnenlicht. Sie besaß ihr eigenes, kaum wahrnehmbares Leuchten im Dunkeln und spiegelte weder Sonnenstrahlen noch Mondschein wider, sondern schimmerte einzig aus sich selbst heraus. Wie eine Schwarz-Weiß-Fotografie, der man einen leichten Glanz verpasst und die man dann vor der dunklen Landschaft in den Mittelpunkt gestellt hatte. Fehl am Platz und nicht von dieser Welt, genau wie ich.
    » Was bist du?«, hauchte ich.
    » Du weißt ganz genau, was ich bin. Ich bin, was du bist. Die bessere Frage, Amelia, lautet, wer bin ich?« Er kam nicht näher, sondern verschränkte die Arme vor der nackten Brust und grinste mich an.
    Ich hatte also recht. Er war ein Geist. Ein Geist, den ich nicht gerade ins Herz schloss. Ich warf die Schultern zurück und reckte den Kopf.
    » Das interessiert mich nicht wirklich, aber trotzdem danke.«
    » Du machst Witze. Natürlich interessiert es dich.«
    » Und weshalb?«
    » Weil ich der Erste deiner Art bin, den du je zu Gesicht bekommen hast.«
    Ich unterdrückte ein Keuchen. Wie konnte er das wissen?
    Einen Moment spielte ich mit dem Gedanken zu erwidern, dass es ohnehin gleichgültig war, weil er keinesfalls die erste Person war, die mich zu Gesicht bekommen hatte. Doch irgendein schützender Instinkt veranlasste mich dazu, Joshua nicht zu erwähnen. Jeglichen Gedanken an Joshua, wenn möglich, zu verbannen.
    Der andere Geist war zu gerissen – ihm fiel mein Zögern auf, und er verengte die Augen.
    » Ich kann deinen Schreck nachvollziehen, Amelia. Ich beobachte dich nun schon seit Jahren aus der Ferne. Du hast mich nie gesehen, und ich habe nie bemerkt, wie du jemandem von unserer Art begegnet wärest. Es sei denn, du hast dich hinter meinem Rücken herumgeschlichen.« Er lächelte, wobei ein leicht abgesplitterter Vorderzahn zum Vorschein kam. Es hätte charmant gewirkt, wäre er nicht so unheimlich gewesen.
    » Aber … woher weißt du meinen Namen?«, fragte ich.
    » Tja«, sagte er. » Du hast viel Zeit damit verbracht, ihn den Lebenden zuzuschreien, nicht wahr?«
    Mir wurde übel.
    Dieser Geist, dieser Tote, hatte mich beobachtet – seit Jahren? Wenn dem so war, hatte er Einblick in all meine privaten Momente gehabt. Hatte daran teilgehabt.
    Ich kam rasch zu einem weiteren Schluss: Wenn er mich beobachtet hatte, dann hatte er mich herumwandern lassen, völlig verloren und allein, Gott weiß wie lange. Er hatte mich ohne führende Hand oder einen Freund belassen und sich an meiner Erniedrigung und Einsamkeit ergötzt.

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