Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
überhaupt, allein Mittag gegessen hast du … noch nie. Also reden die Leute.«
» Und das macht mir etwas aus, weil …«
Jillians Hände hoben sich von ihren Hüften und falteten sich wie zum Gebet. » Weil deine kleine Schwester wirklich, wirklich die Ballkönigin in ihrem Abschlussjahr sein will, und das kann sie nicht, wenn du ihr gar nicht dabei hilfst.«
Ächzend sank Joshua in seinen Sitz zurück. Jillian ließ sich davon nicht abschrecken, sondern bückte sich und steckte den Kopf durch das offene Fenster. Sie hatte immer noch ihre ewig gequälte Miene aufgesetzt, sogar noch als sie die Lippen zu einem flehenden Schmollmund verzog.
Sie hatte Glück, denn ihre Bitten zogen bei Joshua. Angesichts ihres Versuchs, zerknirscht dreinzublicken, stieß er ein aufrichtiges Lachen aus. Jillian lachte ebenfalls, und ihr gesamtes Gesicht verwandelte sich. Die scharfen Linien wurden sanfter, und ihre haselnussbraunen Augen glitzerten. Sie war wunderschön, wenn sie lachte.
» Na schön«, willigte Joshua ein. » Ich mische mich unters Volk. Aber nur, weil deine gesamte Zukunft davon abhängt.«
Jillian schnaubte erneut, war aber zu klug, um sich weiter herumzustreiten. Sie richtete sich auf, stemmte wieder die Hände in die Hüften und wartete, während Joshua seine Scheibe hochfahren ließ.
Sobald das Fenster geschlossen war, wandte Joshua sich wieder mir zu. » Kommst du mit in den Unterricht?«, flüsterte er.
Ich zögerte, nur einen Augenblick, und erwiderte dann im Flüsterton: » Na ja, jemand muss ja sicherstellen, dass du bei den Differenzialrechnungen nicht durchfällst.«
Joshua machte seine Tür auf und stieg aus dem Wagen, schob sich an Jillian vorbei und ging dann zur Beifahrertür. Mit einem raschen Blick auf seine Schwester, möglicherweise um zu sehen, wie genau sie ihn beobachtete, zog Joshua meine Tür auf und bückte sich, um seine Schultasche vom Boden aufzuheben. Ich erhob mich und zwängte mich durch den schmalen Spalt zwischen seinem Körper und dem Türrahmen, wobei ich sorgfältig darauf achtete, dass ich Joshua nicht berührte.
Anscheinend hatte er nicht das Gefühl, mit mir so behutsam umgehen zu müssen, wie ich es mit ihm tat. Als ich mich an ihm vorüberschob, ließ er sanft die Fingerspitzen meine Wade hinabstreichen. Sofort schoss hinten an meinem Bein eine Hitzewelle empor.
» Hey!«, rief ich aus. Kichernd schloss Joshua die Tür hinter mir. Ich machte Anstalten, ihn zurechtzuweisen – jedenfalls halbherzig –, da unterbrach Jillian uns wieder.
» Josh, was war das für ein Geräusch?«
Joshua erstarrte, eine Hand immer noch am Türgriff. Langsam, vorsichtig, wirbelte ich auf dem Absatz herum, bis ich Jillians Gesicht über das Wagendach hinweg sehen konnte. Sie sah jetzt ernst aus, die Mundwinkel finster nach unten gezogen.
» Redest du von meinem Lachen?«, fragte Joshua sie.
» Nein, es klang höher. Wie eine Mädchenstimme.«
Joshua und ich stockten beide, aber er hatte sich schneller wieder im Griff. » Vielleicht hast du jemanden gehört, der dich vom Rasen dahinten gerufen hat?«, schlug er vor.
Sie schüttelte den Kopf. Zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine störrische Falte. » Nein, Josh, es war gleich hier. Neben dem Wagen.«
» Okay, okay.« Joshua hielt die Hände empor und stieß ein nervöses, abwiegelndes Lachen aus. » Aber du weißt doch, dass sie keine Mädchen zur Ballkönigin krönen, die Stimmen hören, nicht wahr?«
Da hellte sich Jillians finstere Miene auf. Die Vorstellung, verrückt zu wirken, schien furchterregender zu sein als eine geisterhafte Stimme. Wieder schüttelte sie den Kopf, vermutlich, um den Gedanken an das abzuschütteln, was auch immer sie zu hören geglaubt hatte. Sie lächelte. » Man kann nie wissen – vielleicht sind Psychosen in zwei Jahren total angesagt.«
» Hoffen wir es, um deinetwillen.«
Jillian verdrehte die Augen und wies ruckartig mit dem Daumen auf die Schule. » Unters Volk mischen, Josh. Pronto.«
Joshua winkte ab, doch Jillian wirkte besänftigt genug, um sich umzudrehen und zum Schulhof zurückzugehen. Sobald sie außer Hörweite war, sah ich zu Joshua auf.
»› Eine Mädchenstimme‹?«, flüsterte ich. » Meinst du, sie hat mich gehört?«
Nachdenklich zog Joshua die Augenbrauen zusammen. Nachdem er seiner Schwester ein paar Sekunden länger nachgeblickt hatte, sah er mich aus dem Augenwinkel an und formte lautlos Seher? mit den Lippen.
» Vielleicht«, überlegte ich und sah ebenfalls
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