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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Dein Vater hat da so seine Beziehungen, Mickey. Wenn du mit Senator Sheridan reden möchtest, überlass das getrost mir.«
    Mickey richtete ihren Blick wieder auf die Wellen. Hitze stieg ihr ins Gesicht; ihr Vater klang so selbstsicher, aber konnte man ihm wirklich glauben? Oder war das wieder eine seiner Lügengeschichten und leeren Versprechungen? Er hatte schon alles versucht, dass sie sich besser fühlte – meistens konnte er es aber nicht durchhalten, und dann war es am Ende noch schlimmer für sie.
    »Ein oder zwei Anrufe genügen. Ich muss nur jemanden von seinen Mitarbeitern ans Telefon bekommen, der mich durchstellt. Sobald Sheridan hört, dass Richard Hallorans Tochter ihn kennenlernen möchte, kannst du davon ausgehen, dass die Sache geritzt ist. Wir sind zwei alte Golfkumpel – er hat seine alten Freunde und alle, die ihn unterstützt haben, nicht vergessen, vor allem diejenigen, die nicht nur auf dem Golfplatz die Runde mit ihm gemacht haben, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Sie schluckte.
    »Weshalb legst du so großen Wert darauf, ihn zu treffen, mein Schatz?«
    »Nur so.« Sie brachte es nicht übers Herz, ihm die Wahrheit zu sagen. Das Anliegen war zu wichtig und seine Lügen gaben ihm einen banalen Anstrich. »Ich denke, das wäre die Krönung der Klassenfahrt.«
    »Du kannst auf mich zählen. Du wirst Senator Sheridan persönlich treffen.«
    »Danke, Dad.« Sie rang sich ein Lächeln ab und küsste ihn auf die Wange. Sie wusste, auch dieses Versprechen war keinen Pfifferling wert. Es wäre zu schön gewesen, wenn sie sich das Nettsein zu Josh ersparen könnte, doch sie brauchte ihn, um an ihr Ziel zu gelangen, musste auf Nummer sicher gehen. Ihr Vater ergriff ihre Hand und drückte sie, und sie spürte, wie er zitterte.
    »Ich gehe fort«, sagte er ruhig.
    »Was?«
    »Nach Arizona. Dieses Mal wirklich und für immer. Dort habe ich bessere Chancen, Mickey. Ich muss mit deiner Mutter ins Reine kommen – und mit Alyssa. Ich fahre in den Sonnengürtel von Arizona, da liegt das Geld auf der Straße. Ich schicke dir ein Flugticket, dann kommst du mich besuchen, sobald ich eine Bleibe gefunden habe.«
    Mickeys Kehle war wie zugeschnürt. Der Wind blies vom Meer herüber, wehte ihr die Haare zurück, trieb ihr die Tränen in
die Augen. Ihr Vater ging fort; es spielte keine Rolle, ob nach Arizona oder auf Zechtour. Sie waren immer nur für kurze Zeit zusammen, bevor er wieder verschwand.
    Der Wind war feucht, angefüllt mit der Gischt der riesigen Wellen, die über dem Kommandoturm von U-823 brachen. Sie dachte an die Toten auf dem Meeresgrund, die sie gesehen hatte. Sie hatten ihre geliebte Heimat angegriffen. Einige hatten in Deutschland eine Familie gehabt, waren Väter gewesen. Sie fragte sich, was ihre Kinder und Enkelkinder wohl über sie denken mochten. Sie starrte auf das Meer hinaus und konnte ein wenig nachvollziehen, wie es war, wenn der Vater verschwand, wenn man nicht wusste, ob er jemals wiederkommen würde.
    Mickey legte den Kopf an die Schulter ihres Vaters, atmete seinen Geruch nach Rauch und Gin ein und sagte sich, er ist hier bei mir, hier bei mir, hier bei mir, während die Tränen in ihren Augen brannten, weil sie wusste, dass er sie bald wieder verlassen würde.
    Dann tauchte die Polizei auf.

23
    D ie letzten Vorbereitungen für die Eröffnung der Berkeley-Ausstellung kosteten Neve unendliche Kraft und Mühe. Angesichts des Medienrummels – nicht nur in Rhode Island, sondern landesweit – konnte man davon ausgehen, dass ein riesiger Andrang herrschen würde. Die Dominic-
di-Tibor-Galerie würde in wenigen Stunden Schlagzeilen machen – und ein brillanter Künstler endlich die Anerkennung erhalten, die er seit langem verdiente. Das wurde ihr bewusst, während sie noch einmal prüfend durch die Ausstellungsräume ging.
    Die Bilder hatten alle ihren Platz an den Wänden gefunden, und als sie vor jedem einzelnen stehen blieb, um hier den zarten Pinselstrich, der das Gefieder eines Blaureihers wiedergab, oder dort die gestochen scharfe Kante eines Fischadlerschnabels zu betrachten, erinnerte sie sich, warum sie Berkeleys Werke liebte. Ein Gefühl des inneren Friedens, der absoluten Präsenz und der Ruhe inmitten des ringsum herrschenden Chaos ergriff von ihr Besitz.
    Sie hatte die stille Magie der Vögel, die sie jeden Tag vor sich sah, schon immer bewundert. In seinen Werken wurde keine bestimmte Spezies hervorgehoben oder verherrlicht; man spürte, dass er alle Vögel in

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