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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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ihrem jeweiligen Lebensraum gleichermaßen liebte. Er hatte es geschafft, ihr munteres Treiben in seinen Bildern festzuhalten, in denen unendliche Lebensfreude zum Ausdruck kam. Es hatte etwas Anrührendes, dass er ausgerechnet die kleinsten Bewohner der Erde als Motiv gewählt hatte, die ihrem himmlischen Schöpfer auf ihren Höhenflügen am nächsten kamen.
    Sie fragte sich, ob Tim oder Joe zur Eröffnung kommen würden. Sie hatte beiden eine Einladung geschickt und ein paar persönliche Worte auf einem getrennten Blatt beigefügt. Bei Joe war ihr das nach dem Besuch in der Scheune leichtgefallen. Seine Bemerkung über das »freudlose Leben« seines Sohnes hallte noch in ihren Ohren nach, und deshalb war es ihr umso schwerer gefallen, die richtigen Worte für Tim zu finden.
    »Ich würde mich sehr freuen, wenn du kommst«, hatte sie geschrieben. »Dein Onkel hat die Liebe zu Vögeln in mir geweckt, und in dir, wie ich weiß. Bitte feiere diesen genialen Künstler und sein Werk mit mir.« Darunter hatte sie »Ich vermisse dich« hinzugefügt, doch dann hatte sie das Blatt zerrissen und noch einmal neu angefangen, ließ den Nachsatz fort.
    Er hatte nicht reagiert. Hatte sie etwas anderes erwartet? Schließlich hatte sich seine Befürchtung bestätigt, dass sich die Aufmerksamkeit der Presse auf Frank richten würde. Je mehr Einzelheiten der Geschichte bekannt wurden, desto mehr Reporter verfolgten die Spuren von Damien O’Caseys militärischer Laufbahn – verglichen die friedliche Idylle in seinen Bildern mit den mehr als dreißig Einsätzen als Pilot eines schweren Bombers im Zweiten Weltkrieg.
    Die Berichte brachten Damien mit Joe in Zusammenhang, dem gefeierten Kriegshelden, dem die Zerstörung des bei Rhode Island gesunkenen U-Boots zu verdanken war. Doch die Geschichte fand den größten Anklang, als der Bogen zu Frank geschlagen wurde, seinen Enkel, der in Rhode Island geboren war und zu den Gefallenen im Irak-Krieg gehörte. Einige Reporter zogen mit dem »Fluch der O’Caseys« Parallelen zu den Tragödien des Kennedy-Clans; andere Journalisten konzentrierten sich auf den »Heldenmut einer Familie«. Es stimmte Neve traurig, zu lesen, wie die Presse die Geschichte ausschlachtete, und sie fragte sich, wie Tim sich dabei fühlen mochte.
    Sie packte die Kartons mit den Katalogen aus und plazierte sie auf einem langen Mahagonitisch an der Wand, in der Nähe des Eingangs; der Text, den sie geschrieben hatte, war nach der Preisgabe von Berkeleys Identität überholt. Sie verspürte immer noch eine grenzenlose Wut auf Dominic, auch wenn sie sich selbst die größten Vorwürfe machte. Er war ihr seither tunlichst aus dem Weg gegangen, aber das würde ihm heute nicht gelingen. Hoffentlich traf er noch vor den ersten Gästen ein, damit sie ihm die Meinung sagen konnte. In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
    »Dominic-di-Tibor-Galerie.« Sie erwartete halb, dass sich wieder einmal ein Reporter über Berkeley oder nach dem Weg zur Galerie erkundigen wollte. Aber es war kein Journalist.
    »Mom?« Neve erkannte an dem Tonfall ihrer Tochter in weniger als einer Sekunde, dass etwas passiert sein musste.
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Mom, es geht um Dad.« Mickey brach in Tränen aus. »Wir sind im Polizeirevier von Secret Harbor.«
    »Bin schon unterwegs«, erwiderte Neve; Dominic und die Ausstellung waren vergessen.
    Sie schnappte sich Jacke und Handtasche, schloss die Eingangstür ab und rannte zum Auto. Secret Harbor war eine kleine Ortschaft, so dass sie das Revier praktisch von hier sehen konnte. Aber mit dem Auto ging es schneller, und sie raste die Main Street entlang bis zu dem schmucklosen Backsteingebäude, das unmittelbar vor den städtischen Tennisplätzen stand.
    Mickey saß im Warteraum. Beim Anblick ihrer Mutter sprang sie auf und warf sich in ihre Arme. Ihr Gesicht war verweint, aber sie wirkte gefasst und stark; sie zog Neve in eine Ecke des Raumes, außer Hörweite des diensthabenden Polizisten.
    »Was ist passiert?«
    »Dad hat mich von der Schule abgeholt. Wir sind an den Strand gefahren und haben geredet … Es war schön, wieder mit ihm zusammen zu sein, Mom, sich zu unterhalten wie normale Menschen. Und plötzlich, wie der Blitz aus heiterem Himmel, tauchte der Streifenwagen auf.«
    »Was wollte die Polizei?«
    »Bei ihnen war eine Anzeige gegen einen betrunkenen Autofahrer eingegangen …«
    Neve hielt Mickeys Hand und dachte daran, was ihre Tochter empfunden haben mochte. Sie erinnerte

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