Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
Tochter das Gleiche.
»Mickey, du kannst deinen Dad nicht ändern.«
»Das will ich auch gar nicht.«
»Jeder Mensch muss seine eigenen Fehler machen.«
»Ich weiß, Mom. Aber er war nicht betrunken, wie der Anrufer behauptet hat. Der Test hat es bewiesen. Außerdem glaube ich, dass ich weiß, wer die Polizei benachrichtigt hat!«
Spielte es eine Rolle, wer sich eingeschaltet hatte? Neve war dem- oder derjenigen insgeheim dankbar. Möglich, dass Richard heute ausnahmsweise nüchtern war, doch bei dem Gedanken, dass Mickey auch dann zu ihm ins Auto gestiegen wäre, wenn er getrunken hätte, schauderte sie.
»Mickey, darüber können wir uns zu Hause unterhalten.«
Aber Mickey schüttelte nur den Kopf, rutschte tiefer in den Sessel und drückte die verschränkten Arme an die Brust. In ihren Augen blitzten Tränen der Wut.
Neve atmete tief durch. Es blieben nur noch wenige Stunden bis zur Eröffnung der Ausstellung, und Dominic würde sie umbringen, wenn nicht alles perfekt wäre. Bis dahin hatte sie noch einiges zu tun – ein letztes Mal überprüfen, ob die Bilder gut ausgeleuchtet waren; beim Partyservice anrufen und sich vergewissern, dass die bestellte Menge verdoppelt worden war, um die zusätzlichen Besucher, die Dominic erwartete, bewirten zu können; und für Presseanfragen in letzter Minute zur Verfügung zu stehen.
Neve sah Mickey an und stellte die Büchertasche, die sich auf dem Sitz neben ihr befand, auf den Boden. Sie nahm Platz, was ihre Tochter kaum wahrzunehmen schien. Der diensthabende Polizist warf ihr einen nichtssagenden Blick zu, bevor er sein Augenmerk wieder auf den Computermonitor richtete. Neve lehnte sich zurück und versuchte, den Anblick von Berkeleys Bildern heraufzubeschwören, um sich zu beruhigen.
Sie überlegte, ob sie Chris oder Nicola anrufen sollte. Was würde ihre Anwältin davon halten, dass sie auf dem Polizeirevier von Secret Harbor saß und sich für Richard einsetzte? Er ist ein Versager, würde Nicola sagen. Er bringt es nicht einmal fertig, sich um seine Tochter zu kümmern, warum kümmerst du dich also um ihn?
Neve wusste, dass es ihr schwerfallen würde, Nicola diese Frage zu beantworten. Doch wenn sie ihre Tochter ansah, die neben ihr saß und unbeugsam Wache hielt, wusste sie, warum sie ihre Verpflichtungen in der Galerie ignorierte und sich immer noch um ihn kümmerte.
Sie dachte an Tims Liebe zu Frank und an Joes Liebe zu Tim. Väter und Kinder … Richard war Mickeys Vater und würde es immer bleiben. Und allein aus diesem Grund, Mickeys wegen, wusste sie, dass es sich lohnte, den Kampf fortzusetzen. Selbst die Berkeley-Ausstellung würde warten müssen.
Unten am Strand war alles ruhig. Shane war gerade in dem Moment angekommen, als die Polizei eintraf, um Mr. Halloran festzunehmen. Er konnte Mickey im Lexus erkennen – einer der beiden Polizisten saß am Steuer und fuhr hinter dem Streifenwagen her –, der Hass in ihren Augen sagte ihm, dass sie wusste, wer der Anrufer war.
Er hatte das Wichtigste in seinem Leben verloren. In den letzten Wochen des Winters war die Beziehung zu Mickey sehr eng geworden, doch nun würde sie ihn mit Sicherheit abservieren. Sie hatte ihn für heute Abend in die Galerie, in der ihre Mutter arbeitete, zu der großen Party eingeladen – doch nach allem, was geschehen war, war er vermutlich der Letzte, den sie sehen wollte.
Deshalb war er mit der alten Kamera seines Vaters zum Strand zurückgekehrt – eine große, klobige Unterwasserkamera, ein Hochzeitsgeschenk seiner Mutter. Er wusste nicht, ob sie überhaupt noch funktionierte. Er hatte Bilder gesehen, die sein Vater damit aufgenommen hatte – Fische, die um ein uraltes Wrack schwammen, das morsche Periskop, ein verschwommener weißer Fleck, der aussah wie der Bauch eines Hais.
Wenn es ihm gelang, gute Fotos von der U-823 zu machen, würde sie ihm vielleicht verzeihen. Die konnte sie irgendeinem der Abgeordneten in Washington, die sie auf ihrer Klassenfahrt kennenlernte, in die Hand drücken. Er hatte gesehen, wie sie sich mit Josh unterhielt und wusste, dass sie unbeirrt an ihrem Ziel festhielt. Shane blickte auf die Wellen und wünschte sich verzweifelt, dass er alles wiedergutmachen könnte.
Ein paar Minuten später sah er jemanden den Strand entlangstapfen. Eine dunkle Gestalt, die aus der Richtung kam, in der sich das Blockhaus des Rangers befand. Er kniff die Augen zusammen – vermutlich ein Surfer. Er trug einen schwarzen Neoprenanzug, aber wo war
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