Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
stürzen.
    Die Sonne stand tief am Himmel, als ginge der Tag zur Neige, und die Wellen brandeten unerbittlich ans Ufer. Wie eine Rückblende im Film, tauchte ein Bild vor Shanes Augen auf: seine Mutter und er auf der Stranddecke, sein Vater, der alleine ins Wasser ging. Eines wusste er – er würde Mr. O’Casey nicht ohne einen Partner tauchen lassen.
    »Herrgott!«, brüllte Shane; er hasste es, eine teure Ausrüstung zu beschädigen, aber ihm blieb keine andere Wahl. Er packte die Rückseite des Neoprenanzugs und zerrte mit solcher Kraft daran, dass das Material zu reißen begann. Mr. O’Casey duckte sich, wirbelte herum und stieß ihn zurück.
    »Was fällt dir ein!«
    »Sie tauchen nicht alleine!«, schrie Shane. Er packte die Maske des Rangers und versuchte, sie herunterzureißen. »Was soll das? Raus aus dem Wasser, sofort! Rufen Sie Ihren Tauchpartner an, er begleitet Sie. Wissen Sie nicht, wie das Partnersystem funktioniert? Haben Sie das in Ihrem Tauchkurs nicht gelernt?« Shane hielt ihn eisern fest und versuchte, ihn aus der Brandung zu zerren; dem Ranger reichte es vermutlich, denn er befreite sich mit einem Ruck und versetzte ihm einen Stoß gegen die Brust, so dass er in hohem Bogen rückwärts in den Sand flog.
    »Mein Tauchpartner kann nicht kommen!« Er brachte Shane mit einem mörderischen Blick zum Schweigen. »Er kann nicht kommen, weil er ertrunken ist. Er ist tot, kapiert?«
    »Wer …«
    »Mein Sohn Frank ist tot.«
    Shane blickte ihn entgeistert an. Er fühlte sich, als wäre er plötzlich in eine Flaute geraten, inmitten des bewegten Wassers um ihn herum. Es war ein schreckliches Gefühl.
    »Mr. O’Casey. Ich wusste nicht …«
    »Was wusstest du nicht?« Der Ranger stand hoch aufgerichtet da, die gebeugten Schultern waren verschwunden; hinter ihm leuchtete das Meer in der untergehenden Sonne. Selbst im Schatten war sein Gesicht zu einer Maske des Kummers erstarrt – Shane sah es und erkannte sich darin wieder. Er war drei Jahre alt gewesen, als er seinen Vater verlor, und er hatte sich genauso gefühlt, wie Mr. O’Casey jetzt aussah.
    »Wusstest du nicht, dass ich einen Sohn hatte oder wusstest du nicht, dass er gestorben ist? Liest du keine Zeitung? Frank O’Casey. Lance Corporal Francis O’Casey, Enkel von Commander Joseph O’Casey!«
    »Und Sohn von Lieutenant Tim O’Casey!«, schrie Shane. »Im Übrigen lese ich Zeitung.« Mickey hatte ihm die Meldungen gezeigt. Sie hatten alte Zeitungsausschnitte und Berichte durchkämmt und waren auf Franks Nachruf gestoßen. Darin wurde erwähnt, dass Frank den Strand geliebt und am Refuge Beach schwimmen gelernt hatte. In der Liste der trauernden Familie wurde Timothy J. O’Casey genannt, der im Vietnam-Krieg als Sanitäter gedient hatte.
    Shane rappelte sich mühsam hoch. »Ich wusste, dass Sie einen Sohn hatten, der im Krieg gefallen ist. Mickey und ich haben seinen Nachruf entdeckt. Was glauben Sie wohl, warum wir das hier machen?«
    »Was machen?«
    »Mit allen Mitteln versuchen, U-823 hierzubehalten.«
    »Wegen der Brandung, zum Surfen.«
    Shane schüttelte den Kopf, Tränen standen ihm in den Augen, was er hasste, weil er nicht wollte, dass Mr. O’Casey ihn so sah, aber es war zu spät. Sie liefen ihm über die Wangen und er sah den Ranger mit ohnmächtiger Wut an.
    »Es ist ein Denkmal«, sagte er. »Das an Ihren Sohn und an meinen Vater erinnert. Und an all die Männer, die in der Schlacht umgekommen sind.«
    »Shane.«
    »Also sagen Sie nicht, dass ich keine Zeitungen lese. Ich hatte nur keine Ahnung, dass Frank Ihr Tauchpartner war.«
    »Ich verstehe. Tut mir leid.« Shane sah ihn an und wusste, dass er ihn abermals mit Gewalt zurückhalten würde, wenn er keine andere Wahl hatte.
    »Sie gehen da nicht runter«, sagte er.
    »Nein, ich gehe nicht.« Tim O’Casey kehrte zu Shane zurück, schnallte seinen Tauchgurt ab und ließ ihn in den Sand fallen. Seltsamerweise sah er beinahe erleichtert aus; da war noch immer Kummer in seinen Zügen, aber seine Augen wirkten lebendiger.
    »Gut«, sagte Shane.
    »Komisch, dass du ebenfalls vorhattest, alleine tauchen zu gehen. Das findest du wohl ganz in Ordnung, oder?«
    »Wie Sie schon sagten, ich wäre vermutlich nicht sehr weit gekommen.«
    »Da du den Schein hast, können wir ja ein anderes Mal gemeinsam tauchen gehen.«
    »Was? Wirklich?« Shane war, als hätte ihn gerade eine Bodenwelle ausgebremst.
    »Wie du schon sagtest, ist es nicht gut, alleine zu tauchen.« Der Ranger

Weitere Kostenlose Bücher