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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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nach Norden, in die Tundra?
    »Denkst du das Gleiche wie ich?«, fragte Neve.
    »Picknick am Strand?«
    »Ich würde mir gerne die Eule anschauen«, erwiderte Neve schmunzelnd. Sie packten alles zusammen, was sie brauchten. Während Neve die Tomatensuppe aufwärmte und in eine Thermoskanne goss, schnappte sich Mickey das Brot und schaffte es, mit nur einer Hand zwei Käse-Tomaten-Sandwiches zuzubereiten. Neve vervollständigte den Imbiss mit Äpfeln und Keksen, bevor sie sich die wärmsten Jacken und Mützen anzogen und zum Kombi eilten.
    Obwohl ihr Haus nur fünf Gehminuten vom Stadtstrand entfernt war, mussten sie eine ziemlich weite Strecke auf der menschenleeren Küstenstraße zurücklegen, denn die Schneeeule befand sich am anderen Ende des Salt Marsh Refuge.
    Die Tage wurden allmählich länger. Die untergehende Sonne glich einem Feuerball, der sich in den dahinziehenden Wolken verfangen hatte. Rosafarbenes Licht breitete sich über die Dünen und auf dem schieferfarbenen Wasser aus. Die Wellen brachen sich unmittelbar vor der Küste, und Mickey stellte sich das U-Boot auf dem Meeresgrund vor, das diese spektakuläre Brandung hervorrief. Sie hatte sich schon immer den Kopf über die Männer zerbrochen, die sich an Bord befanden, weit von ihrer Heimat entfernt, bis in alle Ewigkeit in ihrem nassen Grab eingeschlossen.
    Es erinnerte sie an ihren Vater – manchmal schien es, als wäre auch er auf dem Grund eines tiefen Ozeans gefangen, unfähig, an die Oberfläche zu gelangen oder sich von der Stelle zu bewegen, auf Gedeih und Verderb den Strömungen oder den Wellen ausgeliefert, die ihn unten hielten. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und sie öffnete das Autofenster, um die Seeluft hereinzulassen. Sie war kalt, aber sie schmeckte nach Salz und den Kiefern am Strand, verlieh ihr das Gefühl, dass doch noch alles gut werden könnte.
    Sie kamen an der Rangerstation vorüber – Mr. O’Caseys großer grüner Truck stand vor dem Haus. Es brannte Licht und Mickey war versucht, ihre Mutter zu bitten, kurz anzuhalten, damit sie sich bei ihm für das Buch und seine Begleitung in der Notaufnahme bedanken konnte. Doch als sie sich zu Neve umdrehte, war der Blick ihrer Mutter so gedankenverloren, dass sie beschloss, lieber nichts zu sagen.
    Sobald sie die schweren Baufahrzeuge passiert hatten – sie standen immer noch da, trotz Shanes Versuch, sie zu vertreiben –, bedeutete Mickey ihrer Mutter, am Straßenrand anzuhalten. Sie nahmen das Essen und zwei dicke Decken vom Rücksitz und stapften durch das dichte Gehölz zum Strand, vorbei an Strauchheidelbeeren, silberfarbenen Lorbeerbäumen, verkrüppelten Rotzedern und Zwergeichen. Nachdem sie die kleine hölzerne Brücke über den Bach überquert hatten, kamen sie unmittelbar hinter den Dünen heraus.
    Die niedrigen Sandhügel gingen auf den Atlantik nach Norden und Süden aus, so weit das Auge reichte. Die Dünen waren vom Wind wie Skulpturen geformt und mit vereinzelten, trockenen Strandhaferbüscheln bewachsen. Ein leichte, stetige Brise wehte vom Meer herüber, raschelte im Gras und säuselte im Dickicht. Sie folgten einem schmalen Fußpfad über die niedrigste Düne, an deren Ende sie sich niederkauerten.
    Mickey sah sie auf Anhieb. Sie hockte am Strand, über der Gezeitenlinie, im Windschatten eines riesigen Stückes Treibholz. Ihr Herz schlug schneller; die Eule befand sich nur wenige Schritte von der Stelle entfernt, an der sie und Jenna sie das erste Mal gesichtet hatten. Eine Hand auf der Schulter ihrer Mutter, deutete sie mit dem eingegipsten Arm in die Richtung. Neve wandte den Kopf, suchte mit den Augen die Dünen ab und entdeckte die Eule – Mickey sah es an dem Ausdruck heller Freude, der über ihr Gesicht huschte.
    Sie verharrten in regungslosem Schweigen. Sie beobachteten die Schneeeule, die einem runden weißen Knäuel glich, mit glänzendem Federkleid und einem scharfen, dunklen Schnabel. Hin und wieder fuhr der Wind durch das Gefieder der Schwingen, kräuselte sie wie eine Welle. Und jedes Mal drohte Mickeys Herz vor lauter Aufregung auszusetzen, weil sie glaubte, dass die Eule sich nun in die Lüfte erheben würde. Die Abenddämmerung nahte, die Zeit der Jagd.
    Wie oft hatte sie mit ihrer Mutter Wanderungen in freier Natur unternommen – sie hatten jedes Jahr im Frühling in den Wäldern nach den ersten Singvögeln Ausschau gehalten und jeden Herbst Lovecraft Hill erklommen, um die nach Süden fliegenden Raubvögel zu beobachten. Mickey

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