Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
beim Aufbruch zur nächtlichen Jagd zu beobachten. Als Mickey ihre Mutter anblickte, um festzustellen, was sie davon hielt, sah sie, wie Neve Ranger O’Casey anstarrte – der ihren unverwandten Blick erwiderte.
Mickey blinzelte und wandte sich ab. Ihr Magen knurrte. Sie hatte Hunger und freute sich auf das köstliche Picknick. Sie hätte ihre Mutter gerne gefragt, ob sie nicht Shane und den Ranger dazu einladen sollten, doch Neve betrachtete so hingebungsvoll die Stelle am Himmel, an der die Schneeeule entschwunden war, dass Mickey sich wortlos dem niedrigen Kiefernwald zuwandte und wartete, ob sie vielleicht noch einmal auftauchte.
5
I n der Schule hielt Mickey nach Shane West Ausschau. Doch der Vormittag ging vorüber, ohne dass sie ihn in der Eingangshalle oder in den Unterrichtsräumen zu Gesicht bekommen hätte, ja nicht einmal beim Mittagessen – sie suchte die laute und überfüllte Schulkantine mit den Augen ab, während sie ihr Tablett mit der gesunden Hand an den Metallschienen entlangschob.
»Suchst du jemanden?«, fragte Jenna, als sie ihren Tisch erreichten und Mickey sich immer noch umsah.
»Diesen Jungen. Shane. Der bei meinem Sturz vom Fahrrad am Strand war.«
»Shane West?«, sagte Tripp Livingston. »Den Surfer? Diese faule Socke kannst du lange suchen – der ist vorläufig suspendiert.«
»Weswegen?«, fragte Mickey.
»Der Typ ist kriminell. Doch dieses Mal hat er sich den Falschen ausgesucht und die Quittung bekommen.« Tripp schüttelte lachend den Kopf und sah über den Tisch Josh Landry an. »Ich käme nie auf die hirnverbrannte Idee, mich mit deinem Dad anzulegen.«
»Ist auch besser so«, erklärte Josh großspurig.
»Was hat er denn angestellt?«, erkundigte sich Isabella Janus.
»Noch nichts. Er hatte aber vor, etwas anzustellen, und mein Dad hat ihn angezeigt. Er ist für den Rest der Woche vom Unterricht suspendiert und dazu verdonnert worden, gemeinnützige Arbeit zu leisten. Mein Vater hat dafür gesorgt, dass er nicht ungestraft davonkommt.«
Mickey aß schweigend ihr Sandwich. Sie wusste, dass Joshs Vater ein bekannter Golfplatz- und Immobilienmogul war. Vor dem Umzug nach Rhode Island vor einem Jahr hatte seine Familie in San Diego gewohnt. Mr. Landry hatte geplant, riesige Landparzellen in der Nähe von Kingston zu kaufen, um dort einen neuen Country-Club und Luxusvillen für die Reichen aus dem Boden zu stampfen. Als sein Vorhaben fehlschlug, hatte er begonnen, sich für das U-Boot zu interessieren. Mickey wusste das alles, weil Mr. Landrys Mammutprojekte jedes Mal die lokale Presse anzuziehen schien. Sie wusste auch, dass das schwere Gerät am Strand ihm gehörte – sie war sich nur nicht sicher, warum er das U-Boot bergen wollte, das vor langer Zeit gesunken war.
»Was hat dein Vater eigentlich vor?«, fragte Mickey.
Alle am Tisch starrten sie an, als hätte sie mit ihrer Frage ein Tabu gebrochen. Die Reaktion machte sie nervös – selbst Jenna sah völlig entgeistert aus. Josh war der reichste Junge der Schule. Er wohnte in einem Herrenhaus direkt am Wasser, und viele namhafte Golfer waren bei seinen Eltern zu Gast – ein Foto von Mr. Landry mit Tiger Woods war erst letzte Woche in der Zeitung erschienen, auf der ersten Seite der Sportrubrik.
»Was er vorhat? Abgesehen davon, Kleinkriminellen eine Lektion zu erteilen? Hast du damit ein Problem?«
»Nein«, erwiderte Mickey. »Außer, dass Shane überhaupt nichts getan hat. Er wollte sich nur … dafür einsetzen, dass man das U-Boot auf dem Meeresgrund belässt.«
»Und was soll es da?«, fragte Josh. »Außerdem ist es ein beschissenes deutsches U-Boot. Wir sind Amerikaner, kapiert?«
»Mein Großvater hat im Zweiten Weltkrieg gekämpft«, pflichtete Tripp ihm bei. »Er würde als Erster drei Kreuze machen, wenn es endlich weg ist. Die Deutschen sind hergekommen, um unsere Küste zu bombardieren!«
»Es ist Teil unserer Geschichte.« Mickey sah Jenna hilfesuchend an.
»Stimmt«, pflichtete Jenna ihr bei.
Letztes Jahr hatten Mickey und Jenna Carepakete für Soldaten in Übersee gepackt. Und sie hatten an dem Friedenslauf in Providence teilgenommen. Mickey lag das Wohl der Erde ungemein am Herzen, jeder Mensch und jedes Geschöpf, doch manchmal kam es ihr vor, als wäre Jenna die Einzige, die sie verstand. Wenn das U-Boot verschwand, würden die Menschen die Schrecken des Krieges vergessen. Sie sah ihre Freundin an, hoffte auf ihren Beistand, aber Jenna lachte.
»Das Boot ist als Teil
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