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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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brüten.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Wir haben in dieser Scheune schon einigen Nachwuchs großgezogen. Ein weiterer Grund, geräumige Volieren zu errichten – die jungen Raubvögel müssen fliegen lernen. Und die ausgewachsenen Männchen müssen die Möglichkeit haben, lebende Beute zu fangen und ihren Nachkommen zu zeigen, dass sich ihre Nahrung bewegt und wehrt.«
    »Erstaunlich.« Neve blickte den alten Mann ehrfürchtig und bewundernd an, auf der Suche nach Merkmalen, die Tim geerbt hatte. Sie waren im Übermaß vorhanden. Nicht nur die Farbe der Augen, sondern auch ihr Ausdruck – in ihnen spiegelte sich ein messerscharfer Verstand, Intelligenz, die Liebe zur Natur, Hilfsbereitschaft. Was hatte die beiden entzweit?
    »Nennt man Sie deshalb Graugans?«, fragte Mickey. »Weil Sie eine Menge über Vögel wissen und viele gerettet haben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, den Spitznamen hatte ich lange bevor es die Auffangstation gab.« Er ging zu einer langen Werkbank, die in der Mitte der Scheune stand. »Wusstest du, dass sich Schneeeulen von Lemmingen ernähren? Das ist ihre …«
    »Sie haben ihn in der Navy bekommen, oder? Den Spitznamen, meine ich«, ließ sich Shane vernehmen.
    »Richtig. Das ist Ewigkeiten her. Er gefällt mir nicht mehr.«
    »Warum nicht?«, hakte Shane nach.
    »Weil der Silberhai nicht mehr da ist. Von ihm stammte die Idee mit dem Spitznamen; aber was wussten wir damals schon? Spitznamen im Krieg sind töricht. Sie verharmlosen ihn.«
    »Ich dachte, Sie waren ein Kriegsheld«, sagte Shane. »Sie haben schließlich U-823 versenkt.«
    »So ist es.«
    »Tut es Ihnen etwa leid?«
    »Ob es mir leidtut, dass ich ein feindliches U-Boot versenkt habe? Das versucht hat, unsere Schiffe zu zerstören?«
    »Ja.«
    Joe runzelte die Stirn, ging zu seiner Werkbank und machte sich Notizen auf einem Blatt Papier. Es sah wie ein Aufnahmeformular im Krankenhaus aus, das er auszufüllen begann; er winkte Mickey zu sich, die ihm die benötigten Auskünfte erteilte. Wo wurde der Vogel gefunden? Wann? Charakteristische Merkmale? Spezies? Neve richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Rundfunkübertragung vom Refuge Beach, genau wie Shane.
    »Ich bedaure vieles«, nahm Joe den Faden wieder auf. »Das ist das Vorrecht eines alten Mannes. Das verstehst du erst, wenn du in mein Alter kommst, oder auch nicht.« In diesem Moment ertönte Cole Landrys Stimme: »… und ich darf mit großem Stolz verkünden, dass wir U-823 noch in diesem Frühjahr bergen werden. Der Kran ist bereits unterwegs und wird pünktlich in Secret Harbor eintreffen. Am 17. April, dem Jahrestag des Sieges, den die heldenhafte Besatzung der USS James über unseren Feind errungen hat, wird die Bergungsmannschaft an Ort und Stelle sein, um das U-Boot zu heben und für den Transport nach …«
    »Siebzehnter April«, murmelte Joe O’Casey und schaltete das Radio aus. »Allmächtiger.«
    Shane öffnete den Mund, als wollte er protestieren, doch dann schüttelte er nur den Kopf und eilte an der Reihe der Volieren vorbei zu der Schneeeule. Mickey folgte ihm, ließ Neve mit Tims Vater allein.
    »Tut mir leid, was Cole Landry da inszeniert«, sagte Neve.
    »Mir auch.«
    »In meinem Elternhaus gab es Verdunkelungsrollos. Noch aus dem Zweiten Weltkrieg.«
    Joe blickte das verstummte Radio an. »Die mussten alle an der Küste haben. Der Widerschein der Lichter aus den Häusern und der Stadt hätte unsere Schiffe zu einem leichten Angriffsziel der feindlichen U-Boote gemacht. Die heutige Jugend kann sich nicht mehr vorstellen, wie das damals war. Kein Geräusch war gespenstischer als die Sirenen, die losheulten, hier in Rhode Island – das Zeichen, dass die Lichter gelöscht werden sollten und die Ausgangssperre begann.«
    »Ich wüsste gerne, warum meine Eltern und Großeltern die Rollos an den Fenstern ließen, so lange noch nach Kriegsende.«
    »Vielleicht, weil sie ein wichtiges Ereignis in ihrem Leben symbolisierten. In unser aller Leben. Es betraf jeden Bewohner von Rhode Island, von Connecticut – der gesamten Ostküste, genauer gesagt.«
    »Und Sie sind mit Ihrem Schiff an der Küste patrouilliert?«
    »Ja. Ich war in der Navy; mein Bruder im Fliegercorps der Luftwaffe.«
    »Ihr Bruder war der Silberhai?«
    Joseph O’Casey nickte. »Wir tauschten sozusagen – der Spitzname Silberhai sollte ihn an das Wasser erinnern, das mein Element war, und mich erinnerte der Name Graugans an den Himmel, an dem er seine Kreise zog.«
    »Kam Ihr Bruder im

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