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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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schimmerte ein verborgenes Licht. Sie hätte sich gerne auf die Zehenspitzen gestellt, um seine Augen genauer betrachten zu können.
    »Du zitterst ja.« Er berührte ihren Arm.
    »Ist schon in Ordnung.«
    Mitschüler gingen an ihnen vorüber, starrten sie an. Einige waren am Samstagabend am Strand gewesen – doch auch bei den anderen schien sich herumgesprochen zu haben, was dort geschehen war. Sie wurde rot und drehte ihnen den Rücken zu, um ihr Gesicht zu verbergen.
    »Sie tuscheln«, sagte er.
    »Ich weiß.«
    »Ich sollte einfach verschwinden. An den Strand zurückkehren …«
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Du solltest hierbleiben.«
    »Ich weiß nicht.« Er sah sich um.
    »Wir haben noch eine Menge zu tun.« Sie ergriff seine Hand.
    Er sah überrascht auf sie herunter. »Was denn?«
    »Erinnerst du dich, dass ich sagte, wir müssen kämpfen?«
    »Ja. Daran muss ich ständig denken.«
    »Dann komm mit – lass uns in die Bibliothek gehen. Ich weiß jetzt, was wir machen werden; ich erzähle es dir, wenn wir dort sind.«

13
    T im träumte von Neve. Sie saßen am Strand, Seite an Seite auf dem Treibholzstück, wie vor zwei Tagen. Eisige Luft wehte vom Meer herüber. Er legte den Arm um sie, zog sie an sich, um sie zu küssen. Sein Mund streifte ihre Lippen und er verspürte ein so überwältigendes Begehren, dass er zu verbrennen glaubte. In diesem Augenblick sah er die Feder: Die weiße Feder in ihrer Hand.
    »So weit entfernt von zu Hause«, sagte Neve.
    »Hergeflogen aus der Arktis.«
    »Nicht die Eule.« Sie sah ihn an. »Ich meine Frank.«
    »Wir sprechen seinen Namen nicht aus.«
    »Dann musst du ihn niederschreiben.« Plötzlich verwandelte sich, wie es nur in Träumen geschehen konnte, die Feder in einen Federkiel, den sie ihm entgegenhielt. Er nahm ihn, kniete sich in den pulverfeinen Sand und begann zu schreiben, wieder und wieder: Francis Joseph O’Casey , Francis Joseph O’Casey, Francis Joseph O’Casey …
    Tim füllte den Strand mit dem Namen seines Sohnes. Er konzentrierte sich auf jeden einzelnen Buchstaben, schrieb ihn in seiner schönsten Schrift. Er achtete darauf, dass der Federkiel nicht abrutschte, dass ihm kein Fehler unterlief. Würde Frank zurückkehren, wenn er alles richtig machte?
    Er hätte gerne den Blick gehoben und Neve gefragt, doch er befürchtete, dass der Wind seine Schriftzüge verwehen könnte. Dann war alles verloren. Während er unentwegt weiterschrieb, nahm er aus dem Augenwinkel Gestalten wahr, hinter ihm, unten am Wasser. Schemen, strahlend weiß und ätherisch, wie die Brandung, wie der Meerschaum, den der Küstenwind von den Wellen wehte.
    Tief in seinem Inneren wusste er, dass es die Geister der Toten waren, die Mickey gesehen hatte. Die Besatzung des U-Boots, die am helllichten Tag aus ihrem Grab stieg und auf ihn zukam. Der April nahte, die Zeit wurde knapp; sie bedurften seiner Hilfe, aber er konnte nicht aufhören zu schreiben. Wenn er innehielt, und sei es auch nur für eine Sekunde, würde der Wind Franks Namen auslöschen. In diesem Augenblick wirbelte der Sand hoch, und er hörte die Melodie des Strandes. Doch er schrieb unverdrossen weiter.
    Francis Joseph O’Casey, Francis Joseph O’Casey …
    Tim wachte stöhnend auf. Er setzte sich kerzengerade im Bett auf, war schweißgebadet. Er blickte zur Schublade der Kommode hinüber, er war nicht imstande, sie zu öffnen. Er schirmte die Augen mit der Hand ab – die Sonne stand bereits hoch am Himmel und wurde von den Wellen reflektiert. Tim sprang aus dem Bett, lief zur Vorderseite des Hauses, riss die Tür auf und trat auf die Veranda hinaus.
    Der Strand breitete sich vor ihm aus, meilenweit in beiden Richtungen. Tims Herz klopfte, als er durch den Sand lief. Er fühlte sich eiskalt unter seinen bloßen Füßen an, aber er merkte es nicht. Er schaute nach rechts und links, den ganzen Strandwall hinauf und hinunter. Franks Name war nirgendwo zu sehen. Er fühlte sich benommen, wusste, dass er geträumt haben musste, doch der Schock saß ihm immer noch in den Gliedern.
    In seinem Traum hatte er das Gefühl gehabt, Frank nach Hause zurückbringen zu können … wenn er das Richtige tat, wenn er den Namen seines Sohnes für immer im Sand festschrieb … Sein wunderbarer Junge, der beste Schwimmer, den Tim je gekannt hatte – ertrunken in seinem Panzer, unfähig, seinem Gefängnis zu entfliehen.
    Als Tim ins Haus zurückkehrte, fühlte er sich wie betäubt. Das war für ihn nichts Neues. Sich

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