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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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geriet – aber das war in Wirklichkeit nur ein Vorwand. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits seine eigenen Gründe, Trost im Vergessen zu suchen, der Realität zu entfliehen. Ihre Familien hatten darunter gelitten. Sein Sohn und Damiens Töchter.
    Manchmal dachte Joe an seinen eigenen Vater, den er bewundert hatte – er hatte viel mit seinen beiden Söhnen geredet, hatte sie auf Rad- und Angeltouren mitgenommen, sie gelehrt, offen und aufgeschlossen für die Welt und gegenüber den Menschen zu sein, die sie liebten. Wenn Joe daran dachte, als was für ein Vater er sich selbst entpuppt hatte, schämte er sich in Grund und Boden.
    Die Heizung hatte sich vermutlich eingeschaltet, denn plötzlich hörte er ein Klopfen in den Rohren. Er wusste, er musste hinaus aus der Scheune, bevor das Geräusch lauter wurde.
    »Damien.« Joe streckte die Hand nach der Eule aus. »Tim wird es besser machen.«
    Die Eule bewegte sich in ihrem Käfig.
    »Er wird es besser machen. Für uns alle.«
    Tim. Der Krieg hatte Joe und Damien zerstört, aber Tim würde dafür sorgen, dass alles wieder ins Lot kam. Das lag in seiner Natur.
    Joe trat aus der Scheune auf das Feld hinaus, um die frische kalte Luft einzuatmen, den blauen Himmel zu betrachten, die Tundra und seinen Bruder zu vergessen. Den Lemming zu vergessen, bei dessen Anblick sie an die Männer gedacht hatten, die sie getötet hatten, an das letzte Lebenszeichen, das er vernommen hatte – das Klopfen gegen die Innenwand des U-Boots, als würde jemand versuchen, dem metallenen Käfig zu entfliehen, eine flehentliche Bitte, befreit zu werden, leben zu dürfen.

    Mickey hatte eine Nachricht auf ihrem Handy. Sie stammte von ihrem Vater. Er war betrunken; vielleicht nicht volltrunken, aber seine Worte waren wirr und voller Selbstmitleid, beinahe jämmerlich, wie so oft, wenn er etwas vermasselt hatte und wusste, dass er in der Klemme steckte.
    »Liebes, ich vermisse dich. Dein Dad hatte alle Hände voll zu tun, Mick. Aber das ist keine Entschuldigung. Kein Grund, mein kleines Mädchen nicht zu besuchen. Du weißt, dass ich an dich denke, oder? War damit beschäftigt, Häuser zu verkaufen und Geld zu verdienen, damit ich aus diesem Engpass rauskomme … bin bald zurück und besuche dich. Ich vermisse dich, Mick. Glaube mir. Ich habe viele Fehler gemacht. Aber denk nie, dass ich dich nicht liebe.«
    Das war alles. Sie hatte die Nachricht nach dem Geschichtsunterricht entdeckt, als sie ihr Handy wieder einschalten durfte; sie hatte im Flur gestanden und sie zweimal hintereinander angehört. Die Stimme ihres Vaters hatte einen seltsamen Unterton. Er versuchte ihr weiszumachen, dass er Häuser verkaufte; sie wusste, dass er log. Ob er Geld verdiente, war ihr egal – Geld war nicht wichtig! Alles, was zählte, war, dass er zurückkam, dann könnten sie über alles sprechen. Dann würde alles wieder gut werden.
    »Du verpasst etwas«, sagte Martine und gesellte sich zu ihr.
    »Washington?«, fragte Mickey, denn was sollte es sonst sein? Die Klassenreise war derzeit das einzige Thema bei ihren Mitschülern. »Das ist schon okay. Jemand muss schließlich hierbleiben und die Stellung halten.«
    »Wir werden mindestens einen unserer Abgeordneten kennenlernen. Und das haben wir alles Mr. Landry zu verdanken!«
    »Was hat er denn damit zu tun?«
    »Wir sind schließlich alle aus Secret Harbor … vom Refuge Beach, wo das U-Boot gesunken ist und all das. Joshs Vater hat dafür gesorgt, dass wir unsere Abgeordneten persönlich kennenlernen und vor dem Weißen Haus fotografiert werden – vielleicht sogar zusammen mit dem Präsidenten!«
    »Donnerwetter!«, sagte Mickey trocken.
    Martine gehörte nicht zu ihren engsten Freundinnen, aber sie sah entgeistert aus, als hätte Mickey ihr gerade eine Ohrfeige verpasst. »Was soll denn das heißen? Es ist eine Ehre . Sie denken, dass wir etwas Besonderes sind. Warum hast du an allem etwas auszusetzen?«
    »Kapierst du denn nicht?«
    Martine schüttelte den Kopf. »Was kapieren?«
    »Die denken überhaupt nicht, dass wir etwas Besonderes sind.« Mickey hielt ihr Handy in der Hand. Sie dachte an die Nachricht ihres Vaters, der ihr versichert hatte, dass er sie vermisste und liebte; dabei wusste sie genau, warum er nicht nach Hause kam, und warum sie nicht nach Washington mitfahren konnte, oder warum Mr. Landry U-823 bergen wollte: Es ging immer nur um eines – Geld.
    »Warum sollten wir sonst Gelegenheit erhalten, unsere Abgeordneten und vielleicht

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