Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
was ich von ihm halte.«
»Er spricht mit dir, weil er scharf auf dich ist.«
»Ist er nicht.«
Shane sah keinen Grund, ihr zu widersprechen. Mickey war so unbefangen, dass es ans Komische grenzte. Sie war das hübscheste Mädchen der Schule, so lebhaft, intelligent und mit einer tollen Figur. Doch sie schien sich dessen nicht im mindesten bewusst zu sein.
Er hatte genug Gelegenheiten gehabt, um zu sehen, wie Josh ihr nachgeiferte. Er hatte ihn beobachtet, wie er sie ansah, in der Schulkantine, auf dem Flur, beim Betreten des Klassenzimmers. Er hatte gesehen, wie Josh sie durch die Scheibe seines dämlichen Mercedes-Sportwagens beobachtete, wenn sie mit ihm zusammen in den gelben Schulbus stieg, oder mit ihm Rad fuhr – als wüsste er, dass es nur eine Sache der Zeit war, bevor sie sich ausrechnete, mit wem sie auf lange Sicht besser bedient war: mit Shane, dessen verrosteter, uralter Taurus hinter dem Haus seiner Mutter stand und keinen Meter mehr fuhr, oder mit dem Besitzer einer deutschen Luxuskarosse, die schnell wie der Blitz und dazu ein Traum war.
Schwere Wahl, dachte Shane.
»Lassen wir das Thema. Wichtig ist, eine Möglichkeit zu finden, dass du ebenfalls mitkommen kannst.«
»Nach Washington? Vergiss es.«
»Warum! Es ist unsere Klassenreise, und ich fahre nicht ohne dich.«
»Hör zu, Mick. Ich habe gesehen, wie deine Mutter mich anschaut, und ich kann es ihr nicht einmal verdenken. Als sie mich kennengelernt hat, musste ich gemeinnützige Arbeit ableisten, als Teil meiner Bewährungsauflagen. Dass sie überhaupt zulässt, dass du mit mir zusammen bist, finde ich schon erstaunlich. Glaubst du ernsthaft, ich möchte, dass du dir die Chance vermasselst, nach Washington zu fahren?«
»Aber Shane …«
»Jetzt gib dir einen Ruck. Du darfst in die Hauptstadt der Nation fahren, unsere Volksvertreter kennenlernen, ihnen die Hand schütteln. Ich möchte unsere Senatoren keinesfalls um die Chance bringen, sich mit dir fotografieren zu lassen.«
Mickey lachte, worüber er froh war. Es war am besten, sie vom Thema abzulenken; er hoffte, dass die Zeit so schnell wie möglich verging. Je eher sie nach Washington fuhr, desto schneller würde sie wieder zu Hause sein. Er würde die Zeit zu nutzen wissen, damit sie stolz auf ihn war und mit fliegenden Fahnen zu ihm zurückkehrte.
»Netter Versuch. Aber ich will trotzdem nicht ohne dich fahren«, sagte sie.
»Hör zu, ich habe absolut keine Lust, nach Washington zu fahren. Ich hasse Politik und Politiker. Abgesehen davon, kann man dort nicht surfen. Diese Gezeitentümpel, die es dort gibt, kann man getrost vergessen. Und das Spiegelbecken – oder wie immer das heißen mag – ist totenstill und absolut flach.«
»Aber die Kirschblüten; ich möchte sie mit dir zusammen sehen. Weiße Blütenwolken, Blütenblätter, die von den Bäumen regnen.« Sie verstummte. Er nahm ihre Gefühle sogar durchs Telefon wahr; er empfand das Gleiche, stellte sich vor, etwas so Wunderbares mit ihr gemeinsam zu erleben.
»Ich weiß. Aber irgendwann wird der Frühling auch in Rhode Island einkehren. Wir werden uns die Kirschblüte hier anschauen. Du weißt, dass ich nicht weg kann – ich muss jede Chance nutzen, um zu surfen, solange das Wrack noch da ist. Im Sommer ist es vielleicht fort.«
»Du würdest nicht einmal versuchen, mit nach Washington zu kommen?« Sie klang verletzt. Sie glaubte ihm – dass er lieber zu Hause blieb und surfen ging, statt die Klassenfahrt mitzumachen, und das war gut.
»Nein. Das ist nichts für mich.«
Sie schwieg. Er konnte hören, wie sie atmete. Vielleicht war es gar nicht so schlecht für sie, auf Klassenfahrt zu gehen. Sollte Josh doch versuchen, sie ihm abspenstig zu machen – und sie die Möglichkeit haben, zu wählen. Ein paar Tage ohne ihn würden ihr vielleicht sogar guttun. Vielleicht, redete er sich ein, obwohl ihn der Gedanke innerlich so schmerzte, dass er sich kerzengerade in seinem Bett aufsetzte.
»Was ist bloß los heute Abend?«, flüsterte Mickey und schluckte hart. Shane hörte, dass sie weinte.
»Nichts ist los.«
»Nicht nur mit dir. Meine Mutter ist auch so seltsam. Sie steht völlig neben sich. Und ich dachte, du würdest gerne mit nach Washington kommen und dich freuen, mit mir gemeinsam zu fahren.«
»Was mit deiner Mutter ist, weiß ich nicht. Aber mit mir – es ist alles in Ordnung. Es ist nur – tut mir leid, Mickey. Washington ist einfach nicht mein Ding.«
Seine Mutter steckte den Kopf ins
Weitere Kostenlose Bücher