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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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wieder. »Hör mal. Ich weiß, das klingt verrückt, aber …« Der Wind rauscht durch die Bäume und löst einen weiteren Regenguss aus. »Ich habe das Gefühl, dass wir etwas gemeinsam haben, du und ich. Sollen wir nicht einfach irgendwo hingehen und uns unterhalten …«
    Â»Ich gehe nirgendwohin«, sagt Juliet. Sie starrt auf die Straße und mir kommt es vor, als umspielte ein kleines trauriges Lächeln ihre Lippen. Dann ist es weg.
    Ich war zu lange draußen. Mein Verstand kommt zum Stehen. Nichts ergibt mehr einen Sinn. Seltsame Bilder blitzen immer wieder in meinem Kopf auf, eine Filmrolle bizarrer Fantasien von warmen Dingen. Ein Becken voll mit dampfender heißer Schokolade. Ein Stapel Decken, der bis zum Dach unseres Hauses reicht. Und ein Teil von mir denkt: Scheiß drauf. Lass sie doch einfach tun, was sie vorhat. Morgen geht eh alles wieder von vorne los.
    Aber ein größerer Teil von mir – der Stier in mir, hat Mom das immer genannt – sagt, sie ist mir das schuldig. Ich bin schlammverschmiert; ich schlottere vor Kälte; und die Hälfte der Thomas-Jefferson-Schüler hält mich für einen Freak im Schlafanzug.
    Â»Wie wär’s, wenn wir zu dir gehen?« Da muss sie ja sowieso hin. Sie wirft mir einen eigenartigen Blick zu und einen Moment habe ich den Eindruck, als starrte sie direkt durch mich hindurch.
    Â»Warum tust du das?«, fragt sie.
    Ich muss noch lauter schreien als vorhin. Immer mehr Autos fahren aus Kents Zufahrt und rasen auf der nassen Straße an uns vorbei. »Ich … ich will dir helfen.«
    Sie schüttelt kaum wahrnehmbar den Kopf. »Du hasst mich.«
    Sie rückt immer näher an die Straße ran, was mich extrem nervös macht. Ein Auto dröhnt mit wummernden Bässen an uns vorbei. Als es unter der Straßenlaterne hindurchfährt, leuchtet es kurz auf und ich kann gerade so erkennen, wie jemand darin lacht. Ich meine irgendwo rechts von mir meinen Namen zu hören, aber das ist bei dem prasselnden Regen schwer zu sagen.
    Â»Ich hasse dich nicht. Ich kenne dich ja gar nicht. Aber das würde ich gerne ändern. Noch mal von vorn anfangen.« Ich schreie jetzt fast. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt noch hört.
    Sie sagt etwas, das ich nicht verstehe. Wieder schießt ein Auto vorbei, eine silberne Kugel.
    Â»Was?«
    Juliet dreht ihren Kopf ein paar Millimeter in meine Richtung und sagt etwas lauter: »Du hast Recht. Du kennst mich nicht.«
    Noch ein Auto. Gelächter dringt heraus, als es vorbeifährt. Irgendjemand wirft eine Bierflasche in den Wald, die dort zerspringt. Jetzt bin ich sicher, jemanden meinen Namen rufen zu hören, obwohl ich nicht weiß, aus welcher Richtung es kommt. Der Wind heult und mir wird plötzlich bewusst, dass Juliet nur noch einen Zentimeter von der Straße entfernt ist und schwankend auf der schmalen Linie steht, wo der Asphalt beginnt, als balancierte sie auf einem Drahtseil.
    Â»Willst du nicht besser da von der Straße wegkommen?«, frage ich, aber gleichzeitig wird ein Gedanke in meinem Hinterkopf immer größer und stärker, eine furchtbare, entsetzliche Erkenntnis, die sich zusammenballt und Gestalt annimmt wie Wolken am Horizont. Ich höre meinen Namen. Und dann, noch weit entfernt, höre ich den heiseren Klang von »With or without you« aus einem Auto dringen.
    Â»Sam! Sam!« Jetzt erkenne ich Kents Stimme.
    And you give yourself away, and you give yourself away …
    Dann sieht Juliet mich an. Sie lächelt, aber es ist das traurigste Lächeln, das ich je gesehen habe.
    Â»Nächstes Mal vielleicht«, sagt sie. »Aber wahrscheinlich nicht.«
    Â»Juliet«, versuche ich zu sagen, aber der Name bleibt mir im Hals stecken. Ich habe das Gefühl, vor Angst versteinert zu sein. Ich will etwas sagen, mich bewegen, erneut die Hand ausstrecken und nach ihr greifen, aber die Zeit vergeht so schnell, und dann stürzt und bricht die Erkenntnis über mich herein, als die Musik aus den Lautsprechern lauter wird und ein silberner Range Rover aus der Dunkelheit geschossen kommt. Wie ein Vogel oder ein Engel – als würde sie sich von einer Klippe stürzen – hebt Juliet die Arme und rennt auf die Straße. Ein Schrei und ein entsetzliches Knirschen durchschneiden die Nacht, und erst als Juliets Körper von Lindsays Motorhaube abprallt und ganz

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