Wenn du wiederkommst
die sehr helle Haut sich so straff spannte, daß die hohen Bögen der Augenbrauen ihrem Blick einen Ausdruck des Erstaunens als Rand des Entsetzens gaben. Er hatte sie in dem Sommer im Kibbuz kennengelernt, in dem ich mir in einem anderen Kibbuz eine Abfuhr holte. Sie war Volontärin wie Jerome, Tochter eines russisch-jüdischen Vaters und einer katholischen irischen Mutter, und den Namen hatte sie von einer Großmutter, die aus Südamerika stammte. Vielleicht hatte er sie mit der Hingabe geliebt, die er meinte, als er mir bei unserer ersten Begegnung im Flugzeug sagte, die richtige Frau, wenn er sie fände, würde seine
Königin sein. Ich weiß nur, daß sie andere Pläne hatte und andere Wege ging, und daß er nie aufhörte, sie zu lieben. Wir waren ein Jahr verheiratet, als ich sie kennenlernte. Suleyma, das ist meine Frau, sagte er, und wir maßen einander, nicht unfreundlich, aber angespannt. Dann verschwanden sie, und ich sah sie erst zum Abendessen wieder, als sie das Restaurant betraten wie ein Paar. Bei Tisch redeten sie leise, vertraut, und schon die Art und Weise, wie ihre Körper sich einander zuneigten, schloß mich aus. Dieses Bild ist dreißig Jahre lang in meinem Gedächtnis frisch geblieben, es überdauerte alle Versöhnungen, alle Liebesbeteuerungen seither. Ich habe vergessen, was ich damals zu Jerome sagte, ich glaube, ich stellte ihm eine Frage, er gab irritiert zurück, merkst du nicht, daß ich Kopfschmerzen habe? Nein, sagte ich, wie sollte ich das wissen? Weil dir unsere Sensibilität fehlt, entgegnete er. Später schwieg er hochmütig, als ich ihn fragte, wo sie gewesen seien. Würdest du mit ihr schlafen? fragte ich. Jederzeit, wenn sie es möchte, sagte er. Liebst du sie? Das wird nie aufhören, erklärte er, aber sie hat einen Mann und Kinder, und auch ich habe Verpflichtungen. Sein Ton war so endgültig, daß ich nicht weiter daran rührte, nie wieder.
Sie schrieben einander, er rief sie mindestens einmal im Monat an, sie trafen sich alle paar Jahre, wir redeten nicht über sie. Eineinhalb Jahre vor seinem Tod erzählte er mir, sie habe Krebs. Wir waren viel zu früh zu einer Sylvesterparty in Gloucester eingetroffen und saßen im Auto an der Hafenpromenade, starrten auf das stumpfe Grau des Wassers und die letzten weißen Schaumkronen der Brandung vor der Dunkelheit, und wie ich ihn zu kennen glaubte, versuchte er, an diesem letzten Tag des Jahres dem Schicksal einen Gefallen abzubetteln. Ich war sicher, daß er sich etwas genauso heftig
wünschte wie ich, aber etwas anderes, denn die Art, wie er sich feindselig in sich verschloß, stieß mich weg, weit weg aus seinem Leben. Nach langem Schweigen sagte er: Suleyma hat Krebs. Er hätte mir seine eigene Todeskrankheit in keinem anderen Ton mitteilen können. In den Monaten vor seinem Tod rief er sie regelmäßig jeden Sonntag an. Ich habe seine Telefonrechnungen gesehen. Danach wollte er mir Neuigkeiten über ihren Gesundheitszustand berichten, und ich unterbrach ihn, Suleyma interessiere mich nicht. Ich weiß nicht mehr, wie lange vor seinem Tod es war, als ich ihn fragte: Willst du sie zu dir nehmen, jetzt, wo ihr Mann tot und sie krank ist? Ich weiß nicht, sagte er, ich glaube nicht. Das letzte Foto von ihr zeigt deutlich die Spuren ihrer Krankheit. Sie ist sehr hager, und statt des eigenwilligen roten Lockenkranzes um ihr Gesicht liegt jedes schwere Haar ihrer blonden Perücke an seinem Platz. Ihre Augen sind müde, todmüde, so wie die seinen auf den Fotos vom letzten Frühjahr.
Wenn die beflügelte Leichtigkeit seiner Schwärmereien ihn verließ, wurde Jerome melancholisch und schweigsam, dann grübelte er über den Sinn des Lebens nach und beklagte sich über die Eintönigkeit des Alltags. Und nach einer Weile kam ein neuer Ausbruchsversuch, nicht immer eine Frau, es konnte auch ein wahnwitziges Projekt sein. Peter schrieb eine Drehbuchrolle nur für ihn, einen Anwalt, der das Publikum mit leidenschaftlichen Plädoyers und langatmigen Streitgesprächen ermüdet, er fand einen Produzenten, machte einen Amateurfilm und versprach Jerome eine steile Schauspielkarriere, zunächst am Broadway, dafür schrieb er das Drehbuch in ein Theaterstück um, dann in Hollywood, und Jerome glaubte ihm, lernte seinen Part, übte ihn vor dem Spiegel, eine überzeugende Imitation seiner selbst. Leslie versprach ihm eine
Karriere an einem theologischen Seminar in Moskau, auch das hielt Jerome für ein faszinierendes Abenteuer, für das er jederzeit
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