Wenn es Nacht wird in Manhattan
Cash würde ihm einen Strich durch die Rechnung machen und auf Tippy und Rory aufpassen. Das nahm er sich fest vor. Nie wieder würde er es zulassen, dass einem von beiden etwas zustieße.
9. KAPITEL
A m nächsten Morgen wurde Tippy von der Polizei vernommen. Sie hielt Cashs Hand umklammert, während sie ihre Aussage machte. Es ist der erste Schritt zur Genesung, redete sie sich ein. Nur noch ein kleines Hindernis, das sie überwinden musste. Außerdem machten sie Fotos mit einer Digitalkamera, um zu dokumentieren, was Stanton ihr angetan hatte.
Cash blieb die ganze Zeit an ihrer Seite und trank eine Tasse Kaffee nach der anderen. Eigentlich war es ein einfaches Verfahren, aber es dauerte länger, als er erwartet hatte. Er begleitete die Ermittler aufs Revier, um seine Zeugenaussage zu machen. Die ganze Wahrheit konnte er ihnen zwar nicht erzählen, aber er gab so viel preis, wie er es für angemessen hielt.
“Was ist denn mit Tippys Mutter?”, fragte er den Chefermittler, nachdem sie sich eine Weile unterhalten hatten.
“Sie hat gesagt, dass ihre Mutter die Entführung eingefädelt hat, um Geld von ihr zu bekommen”, erwiderte der ältere der beiden Männer.
“Das stimmt. Sie ist drogenabhängig.”
Die blassen Augen des Ermittlers blickten zornig. “Sie würden staunen, wenn Sie wüssten, mit wie vielen von denen wir es hier zu tun haben. Sie sind in Einbrüche, Überfälle oder Morde verwickelt. Letzte Woche hatten wir einen Achtzehnjährigen hier, der im LSD-Rausch seine Großmutter totgeschlagen hat. Hinterher konnte er sich an nichts mehr erinnern, aber wenn sie ihn vor Gericht stellen, wird er lebenslänglich hinter Gittern verschwinden.”
“Ich weiß”, erwiderte Cash. “Ich bin selbst bei der Polizei. Die letzten Monate habe ich damit verbracht, Drogengelder aufzustöbern. Sie wissen vermutlich, wo es herkommt.”
“Klar”, nickte sein Gegenüber. “Von angesehenen Bürgern, die ganz schnell reich werden wollen und denen es egal ist, auf welche Weise.”
“So ist es.”
“Ich habe mir oft überlegt, ob ich nicht in einer kleinen Stadt arbeiten sollte”, überlegte der Detective. “Ist die Bezahlung gut?”
Cash lachte. “Wenn Sie Bier mögen. Champagner werden Sie sich nicht leisten können.”
Der Ältere zwinkerte. “Ich hasse Champagner.”
“Dann sollten Sie es mal versuchen. Man kann eine Menge bewirken – in kleinem Rahmen.”
Eine kurze Pause entstand. “Mein Boss hat mir bereits einiges über Sie erzählt. Er selbst war im Golfkrieg bei einer Spezialeinheit.”
Cash hob die Augenbrauen. “Ach, wirklich?”
“Er hat einen Neffen namens Peter Stone. Er lebt meines Wissens in Brooklyn.”
Cash warf ihm einen amüsierten Blick zu. “Die Welt ist wirklich klein.” Er grinste.
Der Lieutenant erwiderte sein Grinsen.
Er fuhr mit dem Taxi zurück zum Krankenhaus. Tippy schlief, als er ihr Zimmer betrat und sich neben ihr Bett setzte. Er machte sich Sorgen um sie. Die Vernehmung musste für sie genauso quälend gewesen sein wie die Verletzungen, die man ihr zuvor zugefügt hatte. Es war ein schmerzhafter Prozess, und es würde noch eine Weile dauern, ehe sie sich ganz von ihren Wunden erholt haben würde. Ganz zu schweigen von den Verletzungen ihrer Seele, mit denen sie jetzt – zusätzlich zu den alten Narben – fertig werden musste. Er hasste es, sich schuldig zu fühlen. Es war sein Fehler gewesen. Sein Fehler …!
“Warum schaust du – so?”, fragte sie schläfrig.
“Wie denn?”, fragte er.
Sie öffnete ihre hübschen grünen Augen so weit wie möglich. Er sah wirklich gut aus. Sie sah ihn gerne an. Sie wusste, dass er sich nur deshalb schuldig fühlte, weil er sie im Stich gelassen hatte, doch sie kam sich wie im Paradies vor, weil er so nahe bei ihr war und sich um sie kümmerte.
“Du siehst – verloren aus.”
Er beugte sich nach vorne. “Ich werde meine Vergangenheit nicht los”, sagte er schließlich. “Überall, wo ich hinkomme, wissen die Leute über mich Bescheid.”
“Das ist doch nicht so schlimm.”
“Meinst du?” Er betrachtete sie sehnsüchtig. “Tut mir leid, dass du das Verhör über dich ergehen lassen musstest, aber ohne Aussagen und Beweise kommen sie nicht voran.”
“Ich muss auch gegen
sie
aussagen, nicht wahr?”, fragte sie ängstlich.
Er nickte. “Aber ich werde dich nicht allein lassen. Keine Sekunde lang.”
Sie lächelte schwach. “Danke.” Sie bewegte sich und verzog erneut das Gesicht. “Bestimmt hast
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